Was muss ich tun?

Andacht beim Abschiedsgottesdienst im Hospiz.

Samstag, 20. Oktober
Ein Mann, der seine Frau verloren hat, kommt auf Jesus zu:
„Guter Mann! Was muss ich tun, um wieder glücklich zu werden?
Ich will endlich wieder ein normales Leben führen!“
Jesus reagiert genervt:
„Was nennst du mich gut?“
„Und warum fragst du mich? Du brauchst keinen anderen! Du weißt es doch selbst! Was musst du machen, um aus deinem Tief zu kommen, um ins Leben zurück zu finden? Sag´s selbst!“
Er stellt den Mann auf eine Probe: Was bist du für einer? Einer von den vielen, die ihr Leben aus der Hand geben, die von irgend einem Guru das Rezept für ein gelungenes Leben haben wollen?
Du bist mein ein Star, hol mich hier raus?
Ist er nicht.
Der Mann gibt eine vernünftige, durchdachte Antwort. Er ist einer von denen, die sich wirklich Gedanken machen.
Was muss ich tun, um mit meiner Trauer zu leben, sie zu überwinden?
Er sagt: „Ich versuche ja zu akzeptieren, dass ich traurig bin.
Ich will mich drauf einlassen.
Ja, ich weiß auch um die Gefahr:
Zu den wenigen Dingen, die einen Menschen auf Dauer unglücklich und krank machen gehört die Depression, die tiefste Form der Traurigkeit. Und sie droht, wenn ich meiner Trauer freien Lauf lasse. Sie droht aber auch, wenn ich meine Trauer verdränge, nichts von ihr wissen will.
Was muss ich also tun, um damit fertig zu werden, um mich nicht von der Trauer überwältigen zu lassen?
Ich rede mit anderen – mit Menschen, die meine Gefühle auch kennen, die dasselbe durchmachen wie ich.
Ich weiß, wie wichtig Bewegung ist und frische Luft!
In der Natur spüre ich das:
Das Leben ist stärker, das Licht ist stärker als deine Trauer, als der Tod.
Ich versuche auch, mich trösten zu lassen. Und meine Kinder sind so nett zu mir. Sie sagen immer: „Papa wir brauchen dich! Komm uns doch mal besuchen!“
„Das habe ich alles schon versucht“ sagt der Mann mit trauriger, resignierender Stimme.
„Aber es hilft alles nichts. Ich komme da nicht raus.“
In diesem Moment schaut Jesus ihn das erste Mal wirklich ins Gesicht.
Und er spürt: Dieser Mann fragt wirklich. Aus der Tief seiner Seele. Er tut ihm leid. Und er gewinnt ihn lieb.
Jesus zögert einen Moment.
Dann sagt er: „Eine Sache fehlt dir noch.“
„Lass los. Lass alles hinter dir. Fang ein neues Leben an.“
Da wird der Mann noch trauriger.
Er schüttelt den Kopf.
„Das kann ich nicht.“
Er ist so reich an Erinnerungen:
Die wunderschönen Urlaube. Die ganzen schönen Orte, an denen sie zusammen waren. Er will da wieder hin.
Das Haus, das sie ganz allein eingerichtet hatte.
Die Musik, ihre Musik. Er muss nur eintauchen, dann ist sie wieder da: ihre Stimme, ihre Aura.
Alles eben.
Das will er nicht verlieren. Auf keinen Fall.
*
Seinen Reichtum loslassen, die Erinnerungen als das akzeptieren, was sie sind.
Erinnerungen eben.
Sich wieder trauen zu träumen, zu leben.
Den Blick frei bekommen für das Leben.
Darf ich das?
Das ist doch Verrat an unserer Liebe!
Ich muss diese Liebe doch festhalten so lange es geht!
Nein. Musst du nicht.
Sie geht ohnehin, wenn es an der Zeit ist.
Aber wir haben uns doch ewige Liebe geschworen!
Nein. Das habt ihr nicht. Nur bis der Tod euch scheidet.
Lass los.
Und die Liebe wird sich verwandeln.
Und sie wird zu dir zurückkehren.
Als Dankbarkeit für alles, was euch verbunden hat.
Du wirst lächeln, wenn du dich erinnerst.
Du wirst Kraft spüren, die Werte zu leben, die euch beide wichtig waren –
so wie vorher und doch ganz anders.
Las einfach los.

4 Gedanken zu “Was muss ich tun?

  1. Loslassen!
    Lass die Stadt die Toten begraben! (Peshitta, Georg Lamsa)
    Lass die ungeprüften Aussagen, die falschen Erinnerungen. Niemand macht dasselbe wie ein anderer durch. Lass die Erwartungen, auf die kein Anspruch ist. Lass die Versprechungen zu denen du keine Haftpflicht übernimmmst. Geglaubt wird, was du tust.

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