Leben mit den Toten

„Kultur entsteht, wenn sich die Lebenden ihrer Toten erinnern. Die Lebenden unterstehen der Hoheit der Toten. Sie sind die Autoren unserer Welt, die wir von ihnen erben.“

(Robert Harrison „Die Herrschaft des Todes“)

Menschliches Leben ist nur möglich mit den Toten.
Ohne sie geht gar nichts.
Was wäre ich geworden, ohne meine Mutter, die tagelang mit mir auf dem Sofa gelegen hat, als ich kleines Kind so schwer Asthma hatte? Ich kann mich nicht daran erinnern. Ich weiß das nur aus Erzählungen.
Was wäre mein Glaube ohne Paulus?
Was wäre ich ohne den Erbauer meines Hauses, der schon so lange nicht mehr auf der Erde ist?
Es sind ja viel mehr als Spuren, viel mehr als Erinnerungen, die die Toten hinterlassen. Und wenn wir einzelne, große Figuren nennen, dann meinen wir immer eine ganze Generation. Die Steine an St. Martini. Niemand kennt mehr die Steinmetze, die sie behauen und eingesetzt haben. Aber ihre Steinmetz Zeichen sind noch da. Und ihre Steine sowieso. Was wäre das Stadtbild ohne die Kirchen – was wäre mein Glaube? So ist das. Auch wenn ich die Theologie der Steine manchmal verfluche, auch wenn ich unter ihr stöhne. Es nutzt ja nichts.
Menschliches Leben ist Leben mit den Toten. Mit ihrem Fluch und mit ihrem Segen. Ohne sie ist nichts. Wir begraben tatsächlich nur die äußere Hülle.

4 Gedanken zu “Leben mit den Toten

  1. Lieber Friedhelm,
    danke für die guten Zeilen zum Ewigkeitssonntag. Somit kann ich gut eingestimmt 10 Uhr zum Gottesdienst gehen und meiner Toten gedenken.
    Deine Worte haben mir eine andere Sichtweise ermöglicht.
    Herzliche Grüße, Antonio

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