Monat: Mai 2016

Godspot?

Godspot
Meine Haut ist so trocken. Ich brauche dringend eine Gesichtscreme. „Geh mal ins Reformhaus“ sagt meine Frau und nennt mir auch gleich den Namen der Creme: „die ist ganz gut.“ Als ich vor dem Regal stehe, habe ich den Namen natürlich vergessen. Hilflos vor gefühlten 1000 Cremes nehme ich eine in die Hand: „Anti-Aging Creme.“
Die wird es ja wohl nicht sein. Ich will gerade resignieren, da steht die Verkäuferin neben mir: „Kann ich Ihnen helfen?“
„Ja, ich suche eine Gesichtscreme…“
„Meinen Sie vielleicht die, die Ihre Frau immer für Ihre Söhne kauft?“ fragt sie lächelnd.
Ich strahle sie an: „Ja, die muss es sein!“
Wir plaudern noch einen Moment, dann bezahle ich und ziehe glücklich meiner Wege.

Das war sie mal wieder, die gute alte Zeit. Eine Verkäuferin, die dich kennt, die dir aus der Patsche hilft und auch noch Zeit hat für einen kurzen Schnack. Das gibt es ja kaum noch.
Die Kirche in Berlin-Brandenburg lässt gerade alle ihre Kirchen mit W-LAN ausstatten. Dann kann jeder, der in der Kirche sitzt, frei ins Internet. Sie nennen diesen Zugang „Godspot“ statt „Hotspot,“ weil es in der Kirche installiert ist.
Die Idee mag ja gar nicht so schlecht sein – aber bitte! Godspot?
Wenn ich in Zukunft eine Gesichtscreme brauche kann ich mich ja einfach in die Kirche setzen. Ich suche auf meinem Smartphone das richtige Produkt aus und lasse es mir nach Hause schicken. Wie praktisch! Ich muss mit niemandem mehr reden, keinem mehr in die Augen schauen.
In der Kirche sollte das doch wohl anders sein. Sie ist ein Ort der Begegnung. Hier begegne ich Gott und den Menschen. Wir teilen Freud und Leid, sind füreinander da. Das Internet kann da ganz hilfreich sein, aber nötig ist es nicht – und göttlich schon gar nicht.

Friedhelm Meiners, Pastor an St. Martini