Kategorie: Allgemein

Die Krönung

Die Krönung

Die Krönung von Charles und Camilla. 
Fast sechs Stunden live Spektakel aus einer anderen Zeit: 
Die goldene Kutsche, die Krönung in Westminster Abbey und das unvermeidliche Winken vom Balkon. Meins ist das nicht – aber reingeschaut habe ich natürlich trotzdem.
Charles Rede Ende März im Bundestag hat viele Menschen bewegt: endlich mal wieder ein Brückenbauer zwischen unseren Ländern.
Und nun die Krönung. Ist ja schon spannend, diese pompöse, scheinbar heile Welt. 

In der Bibel wird auch Gott als König bezeichnet; aber ich kann mit diesem Bild nichts anfangen. Nein, die Zeit der Könige ist vorbei. Gott sei Dank. Wir wissen längst, dass die Sehnsucht nach dem starken Mann eine gefährliche Illusion ist. 
Mir sind andere Bilder aus der Bibel viel näher. Geschichten von Menschen, die im Kleinen für ein gutes Leben kämpfen; so wie Abraham und Sarah. Sie sind schon alt, als sie in die Fremde ziehen. Sie halten an ihren Träumen fest. 
Oder dieser Vater: Sein Sohn ist gnadenlos gescheitert. Doch als der zurück kommt, feiern sie ein Riesenfest.
Und schließlich Jesus, dieser schlichte, wehrlose Mann ohne jede Macht. Er feiert mit allen, egal ob arm oder reich. 
Darauf kommt es an: Wir gehören alle zusammen bei der Feier des Lebens. Jede und jeder ist wichtig, damit diese Welt ein besserer, ein geschwisterlicher Ort wird. 

Rücken…

Mir ist der Schmerz in den Rücken gefahren. Aus dem Nichts. Von einer Sekunde auf die andere. Ich kann kaum noch auftreten, mich nur noch mühsam fortbewegen, schlafe schlecht. Was für eine Qual! Doch dank meiner Physiotherapeutin, viel Wärme und ein paar Schmerztabletten ist es schnell wieder vorbei. Ich kann mich wieder ganz normal bewegen. Was für ein Segen!
Gut, ich war auch ein bisschen wehleidig.
Ganz anders Frau Schneider. Sie hat große Probleme mit ihren Knien, hat immer Schmerzen. Doch sie lässt sich dadurch nicht aufhalten. Frau Schneider kommt jeden Samstag zu mir in die Marktandacht. Sie geht am Rollator, aber aufrecht – und nach der Andacht noch über den Markt. Und wenn es noch so schwer ist, noch so langsam geht: Sie lässt sich nicht vom Leben abhalten.
Diese Frau ist für mich ein Vorbild: Sie verschweigt ihre Leiden nicht. Aber sie lässt sich auch nicht davon unterkriegen. 
Wenn ich Frau Schneider treffe, dann denke ich oft an einen uralten irischen Segen. Dort heißt es:  

„Mit all seinen Mühen und seiner Plackerei, das Leben ist immer noch schön. Versuche, glücklich zu sein.“ 

Das will ich versuchen, auch wenn es mal wieder zwickt. 

Gestürzt

Ich bin mit dem Fahrrad gestürzt. Mir ist nicht viel passiert, zum Glück. Aber ich war für einen Moment benommen – und ich war so froh, dass mein Sohn Johannes an meiner Seite war. Er hat geduldig mit mir gewartet, bis ich mich von dem Schock erholt hatte.
*
Drei Tage später.
Ich bin mit dem Fahrrad unterwegs. Ich hab es eilig. Da sehe ich schon von weitem: Ein Fahrradfahrer ist gestürzt. Ich halte an. Eine Frau hält ihm die Hand, ihr Mann sagt: „Der Krankenwagen muss jeden Moment hier sein“ Der junge Mann hat eine blutende Platzwunde am Kopf. Da erkenne ich ihn: Es ist Cornelius, ein ehemaliger Konfirmand. Er erkennt mich auch, lächelt gequält: „Hallo Friedhelm! Alles okay!“ 
„Das ist gut!“ sage ich. 
Doch ich muss weiter. Der Junge ist ja versorgt, denke ich. Ich kann hier ja doch nichts mehr tun. Ich sage noch kurz: „Alles Gute Cornelius!“ und fahre weiter.
Das war wirklich keine Heldentat. Als ob es nur darum ginge, dass jemand versorgt ist! Ich war der einzige, den er kannte! Ich hätte ihm beistehen müssen. Und dass, nachdem ich gerade dasselbe durchgemacht habe…
Hektik, Stress und Zeitdruck machen hart und unbarmherzig. Was soll aus uns, was soll aus mir werden, wenn ich das nicht in den Griff bekomme?
Ich habe Cornelius noch am selben Abend geschrieben. Er war wieder zu Hause. Es geht ihm gut. 
Gott sei Dank! Aber so was soll mir nie wieder passieren… 

Vögel füttern

Vögel füttern

Es gibt Menschen, die füttern die Vögel im Winter – und solche, die füttern das ganze Jahr. Zu denen gehöre ich. Noch vor dem Frühstück mache ich mich auf zur Futterstelle im Garten. Streue Fettfutter ins Vogelhaus. Hänge Meisenknödel in den Baum. Fülle die Spender für Erdnüsse und Sonnenblumen auf, wasche die Wasserschalen aus und gebe frisches Wasser rein. 
Und was geben die Vögel mir dafür?
Eigentlich nichts. 
Sie kommen vorbei wann sie wollen und gönnen mir für einen Moment ihren Anblick. Kohlmeisen und Amseln kommen allein oder höchstens zu zweit. Spatzen und Stare in großer Schar. Die Meisen sind sofort da, wenn es frisches Futter gibt. Sie lassen sich nicht von mir stören. Der Eichelhäher ist vorsichtig. Er sitzt im Baum und wartet. Er mag es gar nicht, wenn ich im Garten bin. Aber kaum bin ich weg, ist er da.
Manchmal kommt ein Sperber vorbei auf der Jagd nach Beute. Dann machen die Spatzen ein Riesengezeter und verschwinden in der Hecke. Der Sperber hinterher – aber er hat keine Chance. 
Mit den Vögeln an der Futterstelle ist es wie mit lieben Menschen: Sie müssen mir nichts geben. Es reicht, dass sie da sind, mich daran erinnern: Das Leben ist ein Wunder – ein Geschenk Gottes

Gesegnet

Woran kann ich eigentlich spüren, ob mein Leben gerade gut ist, ob es gelingt?
Einer meiner Lieblingssätze aus der Bibel steht ganz am Anfang, im ersten Buch Mose. Dort heißt es:
„Ich will dich segnen und du sollst ein Segen sein.“
Dieser Satz wird zu Abraham gesagt, dem Urahnen unseres Glaubens. Der hat seine besten Jahre hinter sich. Doch sein Leben ist ihm zu eng geworden. Er bricht noch einmal auf. Gemeinsam mit seiner Frau Sarah zieht er in die Fremde. Sie haben keinen wirklichen Plan, aber diesen Satz im Herzen: „Ich will dich segnen und du sollst ein Segen sein.“ Die beiden gehen durch viele Krisen, machen viele Fehler, ihre Ehe droht zu zerbrechen. Aber sie sind immer auch für andere da: Sie kämpfen für Lot, ihren Neffen, sie sorgen sich um Isaak, ihren Sohn.
Ob du gesegnet bist, ob dein Leben gelingt, das spürst du nicht daran, ob du erfolgreich bist oder viel Geld hast. Der wahre Reichtum ist das, was du für andere tust.
Egal, wie alt du bist: Sei ein Segen für die Menschen, die dir begegnen. 
Sei für sie da. 
Bleib offen für das, was dir geschenkt und was dir zugemutet wird. 
Lebe die Freiheit – für dich und für die Menschen, die dir anvertraut sind. 

Berlin Marathon

Berlin-Marathon.
Den bin ich auch mal gelaufen. Mit Mitte fünfzig. Das ist jetzt zehn Jahre her.
Mein Kumpel Klaus meinte: „Cool! Welche Zeit willst du laufen?“ 
„Persönliche Bestzeit!“ habe ich geantwortet. 
„Wie jetzt, persönliche Bestzeit? Was heißt das?“ 
„Na ja, ich bin noch nie einen Marathon gelaufen. Wenn ich ankomme, dann ist das meine Bestzeit.“
Und so kam es. Meine Zeit war nicht berauschend, aber ich habe es geschafft! Und ich habe jeden Kilometer genossen. Den Moment, als das Brandenburger Tor vor mir auftauchte, werde ich nie vergessen.
Im Ziel hat meine Familie mich gefeiert. Delia, die Nichte meiner Frau, sagte mit glänzenden Augen: „Ich würde ja auch gern mal mitlaufen…“
„Also“ habe ich im Überschwang der Gefühle gesagt, „wenn du nächstes Jahr läufst, bin ich dabei!“.
So kam es dann zu meinem zweiten Berlin-Marathon. Doch da habe ich einen Fehler gemacht: Ich habe versucht, mit Delia mitzuhalten – doch sie ist über zwanzig Jahre jünger als ich. Bei Kilometer zehn musste ich abreißen lassen und habe mich in einer ganz miesen Zeit ins Ziel gequält. 
In einem alten irischen Segen heißt es: „Gib deine Jugend mit Anmut zurück, wenn sie endet.“
So ist es. Gib dein Bestes, lauf auch noch einen Marathon – aber finde deinen eigenen Rhythmus und versuch bloß nicht mit der Jugend mitzuhalten.
Da kannst du nur verlieren. 

Irgendwas geht immer

Wir sitzen bei einer Feier am selben Tisch.
Mein Tischnachbar fragt mich, wie es so ist in meinem Beruf als Pastor. Ich bin nicht so gut drauf und fange an zu klagen: „Ach, bei uns in der Kirche ist gerade schwierig. Eine Strukturreform jagt die nächste. Was das für Zeit kostet! Man kommt kaum noch zur eigentlichen Arbeit.“
Er nickt, fragt nach, hört mir geduldig zu. 
„Und Sie?“ frage ich irgendwann, „was machen Sie?“
„Ich bin der Chef einer großen Firma. Wir sind in den letzten drei Jahren fünfmal verkauft worden. Zweimal wurde ich sofort entlassen. Einmal durfte ich nicht mal mehr meine privaten Sachen aus dem Büro holen. Aber nach vier Monaten haben sie mich dann zurückgeholt.“
Ich schüttele entsetzt den Kopf.
Er wehrt ab: „Ach wissen Sie, ich habe in dieser Zeit gelernt: Irgendwas geht immer.“  
In diesem Moment fühle ich mich ganz klein.
Als Pastor kenne ich doch den Bibelvers:
„Und ob ich schon wanderte im finsteren Tal, fürchte ich kein Unglück, denn du bist bei mir. Dein Stecken und Stab trösten mich.“
Aber nicht ich verbreite hier Trost und Zuversicht, sondern dieser Mann.
Irgendwas geht immer.
Der Satz beschreibt meinen Glauben ganz gut.

Buß und Bettag: Hier steh ich nun…

Hier stehe ich nun…
„Hier stehe ich nun und kann nicht anders.“
Für diesen Satz habe ich Martin Luther immer bewundert: Einer, der für seine Überzeugung steht.
Ganz anders der Mann am Kiosk: „Hier stehe ich und kann nicht anders.“ Schon wieder. Wie jeden Morgen. Er kommt nicht los.
Wem von den beiden stehe ich näher? Wie ist das mit meinen liebgehassten Gewohnheiten?
Kann ich anders?
Nur, wenn ich glaube mein Leben ist sinnvoll, kann ich etwas bewirken. Ich kann nicht anders, wenn ich denke, es ist sowieso alles egal, auf mich kommt es nicht an.
Anders leben. Martin Luther und der Mann am Kiosk. Wollen tun es beide. Aber es ist schwer. Luther hat nicht alles verändert. Vieles ist ganz anders gelaufen, als er sich das gedacht hat. Er war ein Held und eine tragische Figur. Getrieben von seinen Feinden und von seinem ungeduldigen, oft maßlosen Charakter. „Wir sind Bettler das ist wahr.“ Das soll sein letzter Satz gewesen sein. Aber er ist nicht stehengeblieben. Er ist losgegangen.
Der Philosoph Hans Jonas hat sinngemäß geschrieben: „Der Mensch ist nur frei, wenn er auch Dinge lassen kann.“ Das könnte heute unser Hauptproblem sein. Wir können unsere Art zu leben nicht lassen. Wie der Mann am Kiosk. Drohungen helfen da gar nichts. Es braucht Menschen und es braucht ein Ziel:
Was kann ich tun für eine lebensfreundliche Welt, ohne Leid und ohne Tränen? Ohne Ziele wird die Welt freudlos und grau.
Ich weiß im Grunde, was dran ist. Ich kenne die Richtung. Aber allein schaffe ich es nicht. Wie der Mann am Kiosk.
Buß- und Bettag. Ein Tag zum Innehalten. Mich orientieren. Um Kraft bitten für die Veränderung zum Leben.
Friedhelm Meiners, Pastor an St. Martini

Himmelfahrt oder Der Himmel auf Erden

„Was steht ihr da und seht zum Himmel?“ 
Das fragen zwei Männer in weißen Gewändern die Jünger, als sie Jesus bei seiner geheimnisvollen „Himmelfahrt“ hinterherschauen. 
Mich hat diese Frage immer geärgert: „Ja was? Soll ich nicht mehr in den blauen Himmel schauen und träumen? Soll ich mich mit dem grauen Alltag abfinden? Den Blick nach unten?“
Da halte ich es doch lieber mit dem Astronauten von Sido. Der schaut nicht nur nach oben, der fliegt: „Ich heb ab, nichts hält mich am Boden. Bin lange nicht geflogen. Wie ein Astronaut.“ 
Es gibt so viel Kraft, sich ab und zu in den Himmel zu träumen. Soll das verboten sein? 
Ich glaube nicht. Ich denke die Männer in Weiß, diese beiden Engel, meinen etwas anderes: 
Du schaust in den blauen Himmel. Siehst die Weite. Du spürst, das Leben ist größer und schöner als deine Gedanken es fassen können. Das tut gut. 
Doch du kannst da nicht ewig stehen bleiben. Du musst weiter, zurück in den Alltag. Das ist nicht schlimm. Nimm die Kraft des Himmels mit. Suche Spuren der Unendlichkeit in deinem Leben. Such den Himmel auf Erden. 
Du magst ihn in der Natur finden: Am Schloss Richmond blühen gerade gelbe Wildtulpen. Und endlich, endlich singt die Nachtigall wieder! Für mich zeigt sich im Frühling der Himmel auf Erden.Aber auch in der stillen Liebe, in der Fürsorge:
Eine junge Frau geht jeden Morgen an unserem Haus vorbei mit ihrem uralten Pferd spazieren. Reiten kann sie es schon lange nicht mehr. 
Himmelfahrt. Aufschauen, das Leben preisen. Und das Leid aushalten.
Der, dem die Jünger hinterherschauen, war ein verletzlicher Mensch. Er hat alles erlebt: ein erfülltes, schönes Leben und unendliches Leid am Kreuz. 
Alles ist aufgehoben in der Liebe des Himmels.
Das ist für mich Himmelfahrt. 

Von Engeln

„Er hat seinen Engeln befohlen, dass sie dich behüten auf allen deinen Wegen.“ 
Diesen Satz aus den Psalmen mag ich sehr:
Ich bin behütet, auf allen Wegen meines Lebens, egal, was kommt. Behütet von geheimnisvollen Kräften, wir nennen sie Engel.
Meine Lieblingsengelgeschichte ist die von Sarah und Abraham. Die beiden haben ihren sehnlichsten Wunsch gerade begraben. Sie wollten so gern ein Kind. Doch jetzt ist ihnen endgültig klar: Das wird nichts mehr. Sarah und Abraham gehen durch ein tiefes Tal. 
Da bekommen sie Besuch. Drei Fremde sind für einen kurzen Moment bei ihnen zu Gast. Und die prophezeien das Unmögliche: „Ihr werdet noch ein Kind bekommen!“ Sarah kann nur den Kopf schütteln und lachen. Wie soll das gehen? Aber es wird wahr. Sie bekommen einen Sohn. Isaak. Ihr Leben blüht neu. 
Ich finde meine Lieblingsengelgeschichte passt gut in unsere Zeit. Menschen begegnen sich für einen kurzen Moment. Sie kommen einander nicht wirklich nahe, müssen Abstand halten. Aber sie werden zu Engeln, zu Boten der Liebe Gottes. 
Engel sind in der Bibel oft Menschen. Menschen, die Mut machen und dann weiterziehen. Und er hat auch mir befohlen, ein Engel zu sein. Ich darf da sein für die Menschen, die er mir anvertraut.