Monat: Juni 2014

Die Frage der Fragen

Die Frage der Fragen
Gestern haben wir in einem Gottesdienst unsere „Wackelzähne“ aus dem Kindergarten verabschiedet. Sie kommen nach den Sommerferien in die Schule. Wir wünschen Euch, liebe Kinder, Gottes Segen für Euren weiteren Lebensweg! Geht Eure Wege mutig und fröhlich!
Und wir wünschen Ihnen, liebe Eltern, dass Sie Ihre Kinder dabei mutig und mit viel Liebe unterstützen. Das ist nicht immer einfach.
Es gibt so viele falsche Träume: Der Vater, der will, dass sein Sohn so gut Fußball spielt wie Mario Götze. Die Mutter, die ihre Tochter schon auf dem Laufsteg sieht… Kinder werden viel zu oft auf Rollen und Vorbilder festgelegt. Sie jagen Idealen hinterher, die sie niemals erreichen können.
Es dauert dann oft lange, bis sie ihre Gaben erkennen und den Mut finden, ihren eigenen Weg zu gehen.
Darum, liebe Eltern: Verwechseln Sie Liebe nicht mit falschen Träumen. Haben Sie den Mut, Ihre Kinder ihre eigenen Wege gehen zu lassen, auch wenn es weh tut. Erinnern Sie sich immer wieder daran:
Ihre Kleinen sind vor allem eins: Geliebte Kinder Gottes. So gewollt, wie sie sind.
Dabei mag Ihnen diese alte jüdische Weisheit helfen. Martin Buber hat sie aufgeschrieben. Er nennt sie die Frage der Fragen:
„Vor dem Ende sprach Rabbi Sussja: In der kommenden Welt wird man mich nicht fragen: Sussja, warum bist du nicht Mose gewesen? Man wird mich auch nicht fragen: Warum bist du nicht David gewesen?
In der kommenden Welt wird man mich fragen: Sussja, warum bist du nicht Sussja gewesen?“
Pastor Friedhelm Meiners, St. Martini

(Wort zum Sonntag für die Braunschweiger Zeitung

Ein Gedanke zu Pfingsten

Der französische Anthropologe Philippe Descola sagt, dass die ganze Menschheit ein gemeinsames Unterscheidungssystem verbindet:

„das Bewusstsein, dass ich, ebenso wie die anderen Entitäten meiner Umwelt, von einem immateriellen inneren Fluss beseelt bin… “
(Philippe Descola, Die Ökologie der anderen, 107)

Wir Christen nennen diesen immateriellen inneren Fluss „Geist“ – und verwechseln ihn gern mit dem Verstand.
Doch der ist materiell.

Frohe Pfingsten!

Seufzen

Können Vögel beten?
Wer weiß…
Können Menschen beten?
Paulus scheint das nicht zu glauben. Er spricht vom Seufzen und Stöhnen. Davon, dass wir nicht in der Lage sind, unsere Bitten vernünftig vor Gott zu bringen.
Aber wie sollten wir auch? Sprechen zu dem, der die Welt erschaffen hat. Uns an ihn wenden mit unserem Kleinkram.
Was sollst du beten?
Wie sollst du es in Worte fassen?
Mag sein, dass die Tiere nicht beten – jedenfalls nicht bewusst. Aber ist mein Gestammel wirklich besser? Habe ich irgendeinen Grund, mich über sie zu erheben?
Wir leben in einer merkwürdigen Welt. Haben eine seltsame Sicht auf alles, was uns umgibt. Trennen zwischen Mensch und Nichtmensch. Bilden uns was darauf ein.
Dabei ist alles nur ein Stöhnen.
Unaussprechlich. Verworren. Ungeordnet.
Manchmal verstehe ich die Vögel besser als die Menschen. Dann kommen mir solche Gedanken wie von ihrem Klagen und Flehen. Sie teilen mit uns den Atem. Den Atem, den die Bibel den Geist nennt, den Ruach, den Wind. In guten Momenten weiß ich das.
Und in guten Momenten weiß ich auch, dass ich keinen Menschen wirklich verstehe – dass ich mir nicht einmal anmaßen sollte, das zu glaube – jemanden zu verstehen; nicht mal mich selbst.
Was treibt mich?
Warum bin ich so wie ich bin?
Oft ist es die Angst, das Seufzen:
Was soll bloß werden?
Das Seufzen. Verworren. Unaussprechlich. Tief aus mir.
Ich bin ein Mensch des Wortes.
Mache mir Sorgen, wenn ich es nicht in Sätze packen kann. Wenn ich nichts zustande bringe außer einem tiefen Seufzer.
Und das, sagt Paulus, ist der Heilige Geist.
Er seufzt. Tief in die dir.
Wie sollte er nicht?
„Das Leben ist Leiden.“ sagt der neugewordene Buddhist ganz stolz. Für ihn eine völlig neue Erkenntnis.
Ach ja?
Was denkst du, warum das Kreuz in der Kirche hängt?
Bruder Vogel. Schwester Buddhistin.
Wir gehören zusammen. Im Seufzen. In der Klage über das, was uns quält. Was wir nicht verstehen.

Gedanken zu Römer 8,26

Sehnsucht

Gebet

Der Gesang der Vögel
an einem Morgen im März.
Es ist kalt. Und dunkel.
Sie singen laut, bedrohlich,
schreien fast:
nach Licht, nach Wärme, nach Leben.

Ihr Gebet wurde erhört.
Die Rosen blühen.

Sie singen anders:
Entspannt, irgendwie.
Die jungen Meisen schwirren durch den Garten.
Sie lernen
Das Fliegen und den Gesang.