Monat: September 2018

22.222 Tage

22.222 Tage

Was für ein Sommer! Und ich hatte einen Ohrwurm. Mit einem Mal war er da. Ein Lied von Reinhard Mey:
„So viele Sommer mit dir verbracht,
mit dir geliebt und geweint und gelacht.
Lass uns den Sommertag heut‘ glücklich leben,
wie viele Sommer mag es noch geben?“

O ja, dieser Sommer hatte für mich viele glückliche Tage. Und dann gab es für mich ein ganz besonderes Jubiläum. Ich habe das zufällig mitgekriegt: Ich bin in diesem Sommer genau 22.222 Tage alt geworden. Klingt ganz schön alt. Aber ganz ehrlich: 22.222 – so wahnsinnig viel finde ich das gar nicht. Wenn mich jemand gefragt hätte: „Wie viele Tage bist du schon auf der Erde?“ dann hätte ich noch eine Null drangehängt. Denn in meinen 61 Jahren habe ich schon ganz schön viel erlebt.
Ich finde, das ist ein gutes Zeichen: Wenn sich das Leben sich so reich anfühlt. Dafür bin ich dankbar. Und die schönsten Tage? Es waren die Tage der Liebe.
Noch einmal Reinhard Mey:
Die Liebe überstrahlt alles im Leben,
alle Gestirne verblassen daneben.
Die einzige Botschaft, der einzige Sinn,
die einzige Zuflucht liegt doch darin,
einander Trost und Wärme zu geben.
Die Liebe überstrahlt alles im Leben.
Das wünsche ich Ihnen heute: einen Tag, an dem die Liebe alles überstrahlt.

 

 

 

Tu was!

„Wenn es dir schlecht geht, dann tu was! Egal was, aber tu was!“
Diesen Rat gibt Eckhardt von Hirschhausen in seinem Gesundheitsbuch.
Stimmt: Wenn es mir schlecht geht, ist es das Schlimmste, wenn ich mich in die Ecke setze und Trübsal blase. Am besten gehe ich dann raus, treffe mich mit Freunden. Noch besser: Ich erzähle ihnen von meinem Kummer! Das löst meine Probleme nicht, aber es macht sie ein kleines bisschen leichter. Das hilft fast immer!
Aber das ist nicht der einzige Weg. Mir tut es auch gut, mal in mich zu gehen, mich fallen zu lassen, der Sache auf den Grund zu gehen. Ablenkung ist gut, aber es ist eben Ablenkung.
Es gibt noch einen anderen Weg.
In der Bibel wird die Geschichte von Hiob erzählt. Ihn trifft schweres Unglück. Er verliert alles, was ihm wichtig ist und was er liebt. Haus und Hof, Familie und Gesundheit. Und dann sitzt er da und schweigt. Sieben Tage lang versucht Hiob den Dingen auf den Grund zu gehen. Aber – und das ist ganz wichtig – dabei ist Hiob nicht allein. Seine Freunde kommen. Sie halten seinen Kummer aus, suchen nach Worten und schweigen mit ihm.
Wenn du weißt, dass dein Freund leidet, dann tu was: Dann geh hin und steh ihm bei. Ob du dann besser schweigst oder redest – das wirst du schon spüren. Beides kann ein Segen sein.

Glauben Sie an Gott?

„Glauben Sie an Gott?“
Das fragt in der Krankenhausserie „In aller Freundschaft“ ein 16jähriger, schwer kranker Junge den Chefarzt. „Nein!“ sagt der Mediziner spontan; und dann, zögernd: „Ich hatte mal eine Nahtoderfahrung. Seitdem bin ich mir nicht mehr so sicher, ob da wirklich nur Synapsen und Hormone am Werk sind.“
Der Arzt glaubt, dass da etwas sein könnte, aber der Begriff „Gott“ passt nicht.
So geht es vielen. Das Wort „Gott“ löst bei ihnen Unbehagen aus. Sie meinen: „Wenn ich an „Gott“ glaube, dann kaufe ich ein uraltes, vollmöbliertes Haus. Für meine eigenen Vorstellungen ist da kein Platz mehr.“ Darum ist das Wort „Gott“ für sie schwierig.
Meinen Konfirmanden geht das ähnlich. Die sagen grinsend: „Herr Pastor, ich glaube nicht, dass Gott die Welt an sieben Tagen erschaffen hat.“ Sie sind ganz erstaunt, wenn ich dann antworte: „Ich auch nicht. Für mich ist die Schöpfungsgeschichte ein Bild für die Liebe, die das alles erschaffen hat.“
Glauben ist nicht Wissen. Glauben meint Suchen, Tasten, Fragen. Das ist mühsam, fordernd, aber auch wunderschön. Wunderschön sind die Momente, wenn mein Suchen ans Ziel kommt, meine Fragen eine Antwort finden: Gott ist die Liebe. Und ich kann sie sehen, fühlen, riechen: im Lächeln eines Kindes. Im Wind auf meiner Haut. Im Duft einer Rose. „In aller Freundschaft“

Essen und Teambuilding

Essen als „Teambuilding“
Thomas Tuchel, inzwischen Trainer bei Paris Saint German, hat mal über sein erstes Trainingslager mit der Mainzer Mannschaft erzählt. „Da ging es im Grunde nur darum, uns kennenzulernen. Nach dem Auftakt-Training habe ich der Mannschaft gesagt: ‚Wir treffen uns um halb acht zum Abendessen.‘ Als ich dann pünktlich in den Speisesaal ging, kamen mir einige Spieler entgegen. Die hatten schon gegessen. Kurz nach halb acht saß ich dann alleine am Tisch.“
Das ärgert den Trainer. Am nächsten Tag sagt Thomas Tuchel zur Mannschaft: „Okay. Mittagessen ist um 12.30 Uhr. Aber ich möchte, dass wir gemeinsam beginnen. Ich sage guten Appetit – erst dann fangen wir an.“
Doch auch das läuft schief. Als er die Suppe gegessen hat, gehen die ersten Spieler schon wieder. Also verschärft Thomas Tuchel noch einmal die Regel: „Wir beginnen gemeinsam und bleiben mindestens 20 Minuten am Tisch sitzen.“
Und diese Ansage funktioniert. Die Spieler sitzen fast eine Stunde am Tisch, reden, lachen, warten bis der letzte aufgegessen hat, berichtet Thomas Tuchel.
In der modernen Sprache nennt man so eine Maßnahme „Teambuilding.“ Früher hätte man wohl „Benimmunterricht“ dazu gesagt. Egal: Gemeinsames Essen ist mehr als Nahrungsaufnahme. Es verbindet, bringt Freude ins Leben.
Wir Christen kennen das vom Abendmahl. Wir essen einen Bissen Brot, trinken einen Schluck Wein. Wir feiern damit das Leben und sagen: Wir gehören zusammen, sind verbunden mit der ganzen Schöpfung.

Mover

Wir brauchen einen Mover!
Der riesige Wohnwagen rollt wie von Geisterhand geführt ganz allein über den Campingplatz. Er biegt ab, fährt auf seinen Platz, schaukelt noch einmal hin und her und dann steht er genau da, wo er soll. Perfekt!
Der Wohnwagen hat einen „Mover.“ Das ist ein kleiner Elektromotor, mit dem man den Wagen ganz einfach über kurze Strecken bewegen kann. Man braucht nur eine Fernbedienung. Keiner muss mehr schieben.
Wir sind im Sommer auch gern mit unserem Wohnwagen unterwegs. Wir lieben es, von einem Ort zum andern zu zuckeln. Doch so langsam haben wir ein Problem: unser Wohnwagen ist in die Jahre gekommen – und wir auch. Wenn wir irgendwo ankommen, müssen wir das schwere Teil erst mal auf seinen Platz schieben. Das fällt uns nicht mehr so leicht.
Wir brauchen auch einen Mover! Ich muss dann auch keinen mehr fragen, ob er vielleicht mal mit anfasst.
Doch Stopp!
Ob in der Bretagne oder am Mittelmeer, an der Nordsee oder in den Alpen: bis jetzt waren immer freundliche Menschen da, die uns beim Schieben geholfen haben. Und ich selbst fasse auch gern mit an. Dabei habe ich schon viele nette Menschen kennengelernt.
Seltsam: Wir schaffen uns immer mehr Geräte an, damit wir bloß keinen um Hilfe bitten müssen. Wir wollen unabhängig sein. Dabei geht es im Leben doch genau darum: dass wir füreinander da sind das macht uns glücklich.
Nein, ich brauche keinen Mover.
Ich helfe gern – und die anderen auch.