Abraham aber war fünfundsiebzig Jahre alt, als er aus Haran zog.
Ein alter Mann, fürwahr! Was hat den eigentlich getrieben?
In der Bibel heißt es ganz schlicht: Und der Herr sprach zu ihm.
Den Herrn kannst du durch das Leben ersetzen, oder die Sehnsucht oder auch die drohende Langeweile. Jedenfalls verfolgt er ein ganz anderes Lebensmodell als wir: Mit 75 will doch nun wirklich keiner mehr arbeiten. Und schon gar nicht die Stadt verlassen und als Nomade durch die Gegend ziehen. Rechtlos und nur mit dem, was er und seine Sippe tragen kann. Altersvorsorge hat er ja betrieben, er ist ein vermögender Mann. Und wenn er schon keinen Sohn hat, so doch Lot, seinen unsteten Neffen. Den zieht er mit.
Er gibt seine Träume nicht auf; nicht den vom Sohn und auch nicht von den von einer Zukunft. Und er ist sich sicher, dass das Leben auf seiner Seite steht, immer noch. Warum eigentlich? Er ist alt. Hat es hinter sich. Nicht nur für uns, auch für seine Verwandtschaft, für seines Vaters Haus. Die Erben lecken sich schon die Lippen. Wo kein Sohn ist wird verteilt.
Er hört eine Stimme.
Die sagt: Das war es noch nicht, mein Lieber!
Es ist so schön, sich einzurichten. Es ist so bequem zu sagen: Das muss ich mir nicht mehr antun. Es ist ja vorgesorgt.
Abraham sagt das nicht.
Er widersteht der Versuchung des Alters.
Monat: Juli 2012
In Würde
Sie wird aus dem Krankenhaus entlassen.
Vermutlich wird das zu Hause eine Katastrophe; aber sie kann so leben wie sie will.
In Würde.
Würde kann auch heißen, für einen anderen da zu sein, sich von ihm durch die Gegend scheuchen lassen. In Liebe. Das ist etwas, was ich erst jetzt langsam begreife.
Würde heißt auch: Natürlich ist das Wahnsinn. Aber ich will das so. Lass es mich machen.
Die Würde ist immer gefährdet. Es würde ja auch ganz anders gehen.
Diese beiden sind ein Phänomen. Sie war immer für ihn da. Er sagt: Unsere Liebe lebt immer noch.
Sie strahlt.
Verrückt.
Verrückte, schöne Würde.