Monat: November 2018

Eine gute Andacht


„Was erwartest du, wenn du „Moment mal“ auf NDR 2 hörst?“ frage ich ihn.
Er überlegt kurz, lächelt und sagt: 
„Rette mir den Tag. Mach mir Mut. Zaubere mir ein Lächeln ins Gesicht.“
Ich habe verstanden: Er will nichts Erbauliches, nichts für die Ewigkeit.
Er will nur, dass ich ihm den Tag rette.
Aber was heißt hier „nur?“ 
Wie rettet man einem Menschen den Tag? 
Wie kann man mir den Tag retten?
Für Ada, meine Enkeltochter ist das ganz leicht: Sie ist jetzt zweieinhalb. Ada muss mich nur mit großen Augen anstrahlen! Und wenn sie dann noch ruft: „Opa! Ada holen!“ dann will sie mit mir fangen spielen. Dann ist mein Tag gerettet. 
Oder der letzte Konfirmandenunterricht vor den Ferien. Ich lade meine Konfis zum Eis essen ein. „Jeder zwei Kugeln!“ sage ich vor dem Eistresen. „Ich auch?“ fragt die kleine Punkerin mit den bunten Haaren. Sie ist vor uns dran. 
„Klar!“ 
„Wirklich?“
„Logo!“
Sie nimmt eine Kugel Vanille und eine Pistazie und freut sich wie eine Schneekönigin. In diesem Moment bin ich ihr Held –  und sie hat mir den Tag gerettet.
Wenn ein Mensch für einen Moment mein Herz berührt, dann rettet er mir den Tag. Aber das kannst du nicht planen. Das geschieht einfach so. Das ist ein Geschenk Gottes.

Ein Fahrrad lieben?

„Dieses Fahrrad ist nie geliebt worden!“ schnauzt mich mein Fahrradhändler an, als ich mit dem noch gar nicht so alten Rad meines Sohnes um die Ecke komme. Ich hatte gedacht, da wär noch was zu retten…
Er hat ja Recht: mein Sohn hat höchstens mal Luft aufgepumpt – aber Pflege und Reparaturen – null…
„Okay.“ denke ich, „Man kann ein Fahrrad sicher besser behandeln als ein sechzehnjähriger, ab und zu mal putzen, die Bremsen reparieren oder wenigstens die Kette ölen – aber sein Fahrrad lieben? Das ist doch wohl reichlich übertrieben. So´n Fahrrad ist schließlich nur ein Gebrauchsgegenstand.
Mein Sohn ist inzwischen erwachsen. Aber diese kleine Geschichte ist bei mir hängengeblieben. Heute verstehe ich meinen Fahrradhändler. Er kann über Fahrräder schwärmen wie kein zweiter, hat ein unglaubliches Fachwissen. Er liebt seinen Beruf und er tut alles dafür, dass seine Kunden genau das Fahrrad bekommen, dass sie brauchen.
Kein Wunder, dass der Mann seine Fahrräder wirklich liebt. Er kennt sie genau, ihre Vorzüge und Tücken, er weiß um ihre Bruchstellen – und die Leidenschaft, mit der sie gemacht wurden. Ist doch eigentlich immer im Leben so. Wenn man nicht ex und hopp macht, sondern genau hinguckt, dann muss man ins Herz schließen. Dann fängt man an zu lieben.

Kaffee kochen

Kaffee kochen
Wir brauchen eine neue Kaffeemaschine. Da mache ich mich doch erst mal im Netz schlau, wie man „richtig Kaffee kocht.“
Ich lese und staune: „Am besten kaufen Sie sich einen guten alten Porzellanfilter. Dann brauchen Sie noch eine Kaffeemühle, ein Thermometer und eine Waage. Jetzt kann es losgehen: Erwärmen Sie das Wasser auf 94 Grad. Inzwischen mahlen Sie den Kaffee und wiegen ihn ab. Dann feuchten Sie den Papierfilter leicht an, füllen das Kaffeemehl ein und geben erst mal einen Schluck heißes Wasser…“
Ja geht´s noch? Wann soll ich das denn machen? Ich brauche morgens eine Tasse Kaffee, und zwar ruck zuck. Am besten nur schnell auf einen Knopf drücken…
Für den wahren Genießer ist das Kaffeekochen keine lästige Arbeit, sondern Genuss. Und der fängt schon bei der Zubereitung an: der Zauber des Augenblicks.
Es ist schon komisch: wenn mir jemand verspricht, etwas geht einfacher und schneller, dann leuchten meine Augen. Schneller und einfacher ist immer besser. Hauptsache ich spare Zeit. Tempo um des Tempos willen.
Dabei weiß ich genau: Alles braucht seine Zeit.
Kaffee kochen als Übung in Achtsamkeit – das wäre doch was. Vielleicht sollte ich mir tatsächlich wieder so einen alten Porzellanfilter besorgen und wenigstens am Wochenende in aller Ruhe einen Kaffee kochen.
Ein bisschen Poesie im Alltag wär doch schön.