Was Liebe braucht

Ein afrikanisches Sprichwort sagt: „Um ein Kind zu erziehen, braucht es ein ganzes Dorf.“ 
Stimmt, es sind ja auch eine Menge Menschen an der Erziehung unserer Kinder beteiligt: Eltern und Geschwister, Großeltern, Lehrerinnen und Lehrer, Freundinnen und Freunde…
Ich glaube, bei einer guten Partnerschaft ist es genauso.
Da gab es mal so einen Schlager – Michaela, gesungen von Bata Illic, 1972: „Du bist alles für mich, denn ich liebe nur dich, Michaela.“ Arme Michaela, sie soll alles sein: beste Freundin, Liebhaberin, Mutter, Vertraute… 
Gut, „Michaela“ war schon sehr heftig, aber die Charts sind voll von Hymnen auf die große Liebe. Und immer geht es um zwei Menschen, die sich genug sind. „You are the sunshine of my life“ singt Steve Wonder.
Das kann nicht funktionieren. Für eine gute Partnerschaft braucht es auch ein ganzes Dorf: 
Mit Holger und Ralph rede ich über unseren Beruf, mit Robert über Fußball, das interessiert meine Frau nicht die Bohne, mit Mike über spannende Sachbücher; mit Frank teile ich einen Humor, auf den sie gar nicht kann – und wenn sie mit ihren Freundinnen Siedler von Catan spielt, bin ich raus. Das sind nur ein paar Menschen aus unserem Dorf.
Zwei allein? Das klappt schon bei Adam und Eva nicht. Wir brauchen einander. 

Vom Sorgen

„Wie der klettern kann Opa!“
Ich bin mit Ada, meiner Enkeltochter, im Zoo in Berlin. 
Gleich hinter dem Eingang steht ein riesiger Felsen. Dort leben die Steinböcke. Ada ist sehr beeindruckt, vor allem von einen großen Tier mit riesigen Hörnern:
Ihre Augen strahlen, sie ist wie gebannt, will gar nicht weiter. 
Nach ein paar Minuten werde ich ungeduldig: 
„Komm Ada! Wir müssen weiter, sonst schaffen wir es nicht! Es gibt noch so viele spannende Tiere zu sehen!“ 
Dann habe ich mich über mich selbst geärgert: „Du arbeitest den Zoobesuch ab wie eine To- do-Liste:
Du stehst vor den Eisbären, denkst ans Affenhaus – da müssen wir unbedingt auch noch hin! Bei den Affen musst du schnell weiter zu den Elefanten – und den Tiger nicht vergessen!“  – aber der hat sich versteckt…
So geht es mir oft: Ich bin nicht wirklich bei der Sache, denke nur darüber nach, was wohl als nächstes kommt..
In der Bibel steht: 
„Alles hat seine Zeit.“ Stimmt wohl. Gut, wenn du erkennst, was gerade dran ist – und es dankbar annehmen.
Wir hatten dann doch einen schönen Tag – am schönsten war es bei den Pinguinen. 
Ich hätte ihnen stundenlang zusehen können.

Freundschaft

Jürgen sagt über sich selbst, nicht ganz ohne Stolz: „Ich bin inzwischen uralt, 98 Jahre.“ 
Er hat unglaublich viel erlebt, aber er ist immer noch neugierig auf das Leben. Jürgen reist immer noch gern und er schreibt noch richtige Briefe, mit Tinte auf Papier. In seinem letzten Brief denkt er über die Freundschaft nach. Er schreibt: „Ich habe neue Freunde gefunden. In meinem Alter ein großes Glück.“ 
Da hat er Recht. Freundinnen und Freunde sind ein großes Glück, in jedem Alter. 
Und er macht mir mit seinen Zeilen auch ein schlechtes Gewissen; meine Freundinnen und Freunde sind ein großes Glück, aber ich habe zu wenig Zeit für sie. Habe ich zu wenig Zeit – oder nehme ich mir zu wenig?  Ist wohl eine Mischung aus beidem. 
Zeit für meine Lieben. 
Jürgen, der alte Mann, schreibt weiter: 
„Den Weg der Freundschaft muss man häufig gehen, damit kein Gras drüber wächst.“
Was für ein schönes Bild: Der Weg der Freundschaft ist eben nicht gerade und gepflastert; der Weg der Freundschaft ist verschlungen, führt über Berge und durch Täler, ist manchmal kaum zu erkennen und wenn ich ihn nicht gehe, dann verschwindet er irgendwann. 
Danke, lieber Jürgen, alter Freund, für diese Erinnerung… 

Derby in Braunschweig oder: Seid niemals Feinde!

Fußball, die schönste Nebensache der Welt. 
Na ja… 
Ich bin Fan der Braunschweiger Eintracht und war letzten Sonntag beim Derby gegen Hannover 96 im Stadion. Das schönste war die Choreographie am Anfang, ein Meer in Blau-Gelb. Das war´s dann aber auch. Es wurden Raketen auf die Tribüne geschossen und so laute Böller gezündet, dass es auch in einiger Entfernung noch in den Ohren weh tat. 
Es wurden auf beiden Seiten deutlich Grenzen überschritten und für uns, die „normalen Fans“ war das alles andere als lustig. Und wenn Eltern sich vorwerfen lassen müssen, warum sie „bei so einem Spiel“ denn mit ihren Kindern ins Stadion gehen – dann stimmt etwas überhaupt nicht mehr.
Klar, beim Derby gehen die Emotionen hoch. Ich denke immer noch gern an ein Pokalspiel gegen 96. Ich hatte Freunde aus Hannover eingeladen. Die Eintracht hat überraschend gewonnen und die Jungs waren so sauer, dass sie nach dem Spiel nicht mal mehr ein Bier mit mir trinken wollten. Ich finde, das gehört dazu, das ist eine gesunde Rivalität. Aber eben Rivalität und nicht Feindschaft. Wir haben das Bier dann später nachgeholt. 
Die niedersächsische Innenministerin Daniela Behrens hat nun vorgeschlagen, bei den Derbys keine gegnerischen Fans mehr ins Stadion zu lassen. Das fände ich sehr, sehr schade.
Aber klar, auf dem Platz ist das ja auch ganz klar geregelt: Du willst mit aller Kraft gewinnen, aber wenn du deinen Gegner willentlich verletzt, dann siehst du die rote Karte.
Dabei zeigt die Geschichte der beiden Vereine: es geht auch anders. 
Die Fans von Eintracht und 96 waren nie gute Freunde – aber als der Braunschweiger Fußballer Jürgen Moll und seine Frau tödlich verunglücken, gibt es im Eintracht Stadion ein Benefizspiel für ihre Töchter. Vor 21.000 Zuschauern und Zuschauerinnen spielt eine Bundesliga Auswahl gegen eine Mannschaft mit Spielern von Eintracht Braunschweig und Hannover 96. 
Das ist jetzt ziemlich genau 55 Jahre her. 
Also Fans, macht euch locker, schließt daran an: 
Seid Fans, seid Gegner – aber seid niemals Feinde.

Es kommt anders…

Neulich habe ich an einer Küchenwand einen schönen Satz gelesen:
„Es kommt anders, wenn du denkst.“
Stimmt. Es ist immer gut, erst mal nachzudenken. 
Es kommt nicht nur anders, als du denkst, es kommt auch anders, wenn du denkst.
Man könnte meinen: Wenn die Vernunft mein ganzes Leben bestimmt, dann wird alles gut, mein Leben wäre perfekt. Ich würde mich immer genug bewegen, gesund ernähren, nur gute Bücher lesen…
Aber ich würde auch kein Eis mehr essen, ich würde nie mehr mit Freundinnen und Freunden spät nachts beim Bier sitzen oder im Sturm an der Nordsee spazieren gehen. 
Ich würde das Leben nicht küssen. 
In der Bibel wird immer wieder berichtet, wie Jesus das Leben feiert: er sitzt mit seinen Freundinnen und Freunden zusammen, er freut sich über die Vögel am Himmel und die Lilien auf dem Felde. Im Grunde sagt er damit: Jeder Tag ist ein Geschenk. Die Vernunft kann mir helfen, dieses Geschenk dankbar anzunehmen und sorgsam damit umzugehen. Aber dazu braucht es auch Liebe, Spontanität, Dankbarkeit und Weisheit… 
Dann kommt es nicht nur anders, wenn du denkst, dann wird dein Leben auch schöner, gesegnet…

Wenn es regnet…

Unser Wanderwochenende!
Lange geplant, nun geht es los. Die Route steht, die Quartiere sind gebucht. Der erste Tag ist wunderbar. Die Sonne scheint, ich genieße jeden Meter. Doch über Nacht zieht es sich zu und als wir am nächsten Morgen los wollen, regnet es in Strömen. Ich gehe kurz vor die Tür und es wird schnell klar: Das wird heute nichts. Das Wasser läuft in Bächen den Berg runter, die Wege sind glitschig, es ist viel zu gefährlich. 

Diesen Tag können wir vergessen. 
Der Frust ist groß. Meine Laune zieht sich zu wie der Himmel über uns. Wir haben mit allem gerechnet, nur nicht mit schlechtem Wetter.
Aber es wird dann doch noch ein wunderbarer Tag. Wir sitzen zusammen, spielen „Mensch ärgere nicht“ und Doppelkopf, wir reden und lachen viel. 
Ein alter weiser Landwirt hat mir einen lustigen Spruch von Wilhelm Busch mit auf den Weg gegeben:
„Dauerhaftem schlechtem Wetter
musst du mit Geduld begegnen,
mach es wie die Schöppenstedter:
regnet es, so lass es regnen!“
Es stimmt. Ich rege mich viel zu oft über Dinge auf, die ich nicht ändern kann. 
Jesus sagt über das Sorgen: Sorge dich nicht um Morgen. Es ist genug, dass jeder Tag seine eigene Plage hat.
Am nächsten Tag scheint die Sonne wieder und wir ziehen fröhlich weiter. 

Übrigens

Übrigens:
Ich finde die Rechtschreibprüfung in „Word“ meinem Schreibprogramm sehr praktisch. Wenn ich etwas falsch schreibe, dann wird es sofort rot unterkringelt. Gut, ist ein bisschen wie damals in der Schule, fehlt nur noch der rote Strich am Rand. Aber egal. So stimmt in meinen Texten zumindest die Rechtschreibung. 
Neuerdings hat das Programm übrigens eine neue Funktion: Ich schreibe „übrigens“ und unter dem Wort erscheinen kleine blaue Pünktchen.
 „Was soll das?“ frage ich mich und klicke drauf. Da lese ich dann zu meiner Überraschung: 
„Prägnanz. Versuchen Sie Füllwörter zu vermeiden.“ 
Stimmt. Auch das hat man mir in der Schule beigebracht: „Vermeide Füllwörter! Sie sind von Übel und schlecht für die Lesbarkeit!“ 
Übrigens, vielleicht, wirklich, letztendlich… alles Füllwörter, es gibt fast zweihundert davon. 
Die soll ich vermeiden. 
Dann sind meine Texte perfekt – gestutzt wie ein englischer Rasen.
Aber das will ich nicht. 
Ich will das Bunte, Vielfältige, Unperfekte, die ganze Pracht und Vielfalt, die Gottes große Schöpfung mir schenkt, auch in der Sprache.
Wir müssen aufpassen, dass die schöne digitale Welt unser Leben nicht perfekt, grau und nur noch nützlich werden lässt. 
Übrigens ist übrigens gerade mein Lieblingswort – und wenn es noch so oft blau unterkringelt wird…

Abendmahl oder „Tisch voll“

Wir sitzen in unserem Lieblingsrestaurant, alle sind in die Speisekarte vertieft. 
„Hört sich alles so lecker an,“ sage ich, „ich weiß gar nicht, was ich nehmen soll…“
„Geht mir auch so“ seufzt mein Freund Tommy. „Aber wisst Ihr was? Wir machen das heute mal anders! Jeder und jede bestellt, worauf er oder sie am meisten Appetit hat – und alles kommt mitten auf den Tisch.“
„Und dann?“ frage ich. 
„Wir lassen uns jeder und jede einen leeren Teller geben. Dann können wir von allem probieren!“
Ich bin ja ein bisschen skeptisch, aber warum nicht? Wir probieren das aus.
Dann wird serviert: Der Tisch biegt sich unter den leckersten Speisen: Pilzrisotto, Käsespätzle, eine vegane Linsencremesuppe, Gulasch mit Spätzle, Caesar Pommes… 
Wir sitzen um den voll gedeckten Tisch, wir reden, lachen und schwelgen: 
„Die Spinatknödel musst du unbedingt probieren!“
„Die Quiche! Ein Genuss! Koste mal!“ 
„Gratinierter Ziegenkäse – hätte ich nie bestellt, aber so lecker!“ 
Zwischendurch ein paar Pommes und ein Stück von der Currywurst – hat auch was…Es wird ein wunderbarer Abend.
So ähnlich stelle ich mir vor, haben die ersten Christinnen und Christen in Korinth jeden Abend das Abendmahl gefeiert:  im großen Kreis am festlich gedeckten Tisch – reden und lachen, das köstliche Essen teilen, das Leben feiern.
Wir sollten das auch öfters tun… 

Bockwurst und Kartoffelsalat

In meiner ersten Gemeinde gab es eine besondere Tradition: Einmal im Vierteljahr haben wir den Gottesdienst am Samstagabend gefeiert. Im Anschluss hat es im Gemeindehaus Würstchen mit Kartoffelsalat gegeben. Die Würstchen sind vom örtlichen Schlachter spendiert worden, seine Schwiegermutter ist Mitglied im Altenkreis gewesen und immer mächtig stolz. Diese Gottesdienste sind supergut besucht gewesen und im Anschluss haben sich die Leute im Gemeindesaal gedrängelt. 
Ich junger Pastor hab mir damals gedacht: „Das geht doch gar nicht! Die Leute kommen ja nur wegen der Bockwurst.“ Nach einer Weile habe ich diese Gottesdienste dann eingestellt.
Heute kann ich darüber nur noch den Kopf schütteln. Ich habe damals nicht begriffen: Im Glauben geht es um alles. Sicher, auch um die Andacht, die Stille, das Gebet – vielleicht ein guter Gedanken in der Predigt; aber Glauben heißt: das Geschenk des Lebens feiern, zusammen sein, miteinander essen und trinken, lachen und reden. Dazu gehören manchmal auch Bockwurst und Kartoffelsalat. 
Jesus hat gern gefeiert und darüber Geschichten erzählt: vom großen Abendmahl und von der Hochzeit, die du nicht verpassen darfst. 
Übrigens: Bei uns in der Gemeinde gibt es jetzt nach dem Geburtstagsgottesdienst immer – nein, nicht Würstchen und Kartoffelsalat – es gibt Sekt und Braunschweiger Zuckerkuchen. 
Wunderbar!

Tempo, Tempo

Wir kriegen jetzt schnelles Internet, Glasfaserkabel.
Zuerst habe ich gedacht: „Super! Da kannst du Zeit sparen!“ 
Wenn etwas schneller geht, finde ich das immer erst mal gut.
Aber ich werde jetzt den Tatort nicht in doppelter Geschwindigkeit sehen, bloß weil ich „schnelles Internet“ habe. Meine Emails kann ich auch nicht schneller schreiben, das braucht seine Zeit – und wenn sie eine Zehntelsekunde schneller ankommen, na ja…
„Immer schneller“ führt bei mir auch nicht dazu, dass ich mehr Zeit habe, ganz im Gegenteil: Ich werde immer ungeduldiger. 
Der ICE braucht von Braunschweig nach Berlin nur noch 1 ½ Stunden. Phantastisch! Aber wehe, er kommt zehn Minuten zu spät…
Ich stehe im Baumarkt an der Kasse und vor mir hat einer unendlich viel Kleinkram – du meine Güte, wird der denn nie fertig?
Geschwindigkeit ist kein Wert an sich und ich kann auch keine Zeit „sparen.“ 
„Alles hat seine Zeit“ steht in der Bibel (Prediger 3) Da wird ganz viel aufgezählt: Pflanzen und ernten hat seine Zeit, abbrechen und bauen hat seine Zeit, weinen und lachen… 
Und am Ende heißt es: 
Er hat alles schön gemacht zu seiner Zeit. 
Er hat auch die Ewigkeit in dein Herz gelegt… 
Und manchmal, ja manchmal kann ich sie spüren, die Ewigkeit: 
Wenn ich die Zeit einfach Zeit sein lasse…