Monat: Dezember 2018

Gesegnetes Neues Jahr


Wir begegnen uns zufällig in der Fußgängerzone. 
Ein kurzes Hallo und ich wünsche dem jungen Mann ein gesegnetes neues Jahr. 
„Gesegnet?“  fragt er und lächelt resigniert: 
„Glauben Sie wirklich, es gibt einen Gott, der sich für mich interessiert?“ 
Der junge Mann hat ein schweres Jahr hinter sich. Beruflich und privat. 
Er ist sehr selbstkritisch. Er hat immer geglaubt: Wenn du dich anstrengst, wenn du alles richtig machst, dann wird alles gut. Gott kann er sich nur als jemanden vorstellen, der alles in Ordnung bringt. 
Ehe ich etwas erwidern kann, ist in der Menge verschwunden. 
Schade.  
Ich hätte ihn gern an Maria und Joseph erinnert. 
Was haben die beiden falsch gemacht? Hätten sie dem Befehl des Kaisers nicht gehorchen sollen? Hätte Joseph auf seinem Recht auf eine vernünftige Unterkunft für seine Frau pochen sollen? Naive Fragen, ganz klar. Aber so denken wir, damit alles seine Ordnung hat. Und wenn nicht, dann muss irgendeiner Schuld haben. 
Maria und Joseph ziehen voll Vertrauen nach Bethlehem. Sie werden Opfer von Willkür und Gleichgültigkeit. Und Gott befreit sie nicht aus ihrer Not. Im Gegenteil. Auf den Stall folgt die Flucht nach Ägypten. Aber ihr Glaube wird nicht erschüttert, er wird verwandelt. 
Sie begegnen dem Gott, der sich für sie interessiert.
Sie sehen ihn in den Hirten, die ihre Scheu überwinden und Maria und Joseph in ihrem Elend besuchen. Sie spüren seine Kraft in den drei Weisen aus dem Morgenland, die das Licht der Welt suchen und es finden in diesem wehrlosen Kind. 
Sie fragen nicht nach dem Warum. 
Sie feiern das Leben, mitten in Wahnsinn und Angst. 
Das ist die Geburt des Glaubens. 
Das ist Segen – und nicht der naive Glaube, es müsse alles glatt gehen im Leben. 
Das hätte ich dem jungen Mann gern erzählt, damit er weiß, was ich meine, wenn ich ihm wünsche:
Gesegnetes neues Jahr! 

„Die Freeses“ oder Stress im Advent“

Neulich auf NDR 2, „Die Freeses.“ „Oma Rosi“ wird gefragt: „Wie schaffst Du das mit all den Weihnachtsfeiern in der Adventszeit? Bei mir ist es mal wieder viel zu viel!“ 
Ihre Antwort ist verblüffend: „Ganz ehrlich! Dann heul doch! Alle Leute sind nur noch am Jammern, was sie alles noch vor haben müssen bis Heiligabend. Es tut mir ja so leid, dass ihr so viele Freunde und Bekannte habt und nicht einsam und alleine die Vorweihnachtszeit genießen könnt. Der Satz „Ich brauch mal Zeit für mich alleine“ ist doch in den meisten Fällen nichts anderes als vor Netflix abhängen und Steuer vorsortieren. Gönnt euch doch mal was! Nehmt doch mal am Leben teil!“
Ich fühle mich ertappt. 
So krass hätte ich das nicht ausgedrückt, aber ich weiß, was „Oma Rosi“ meint.
Ja, es fällt oft schwer, sein Leben so zu akzeptieren wie es ist. Ein bisschen Klagen gehört zum guten Ton, frei nach dem Motto „Lerne klagen ohne zu leiden.“ 
Klar, zu viel Gemeinschaft kann erschöpfend sein. Ich sehne mich auch manchmal nach einem ruhigen Moment bei guter Musik und Kerzenschein. Aber Vorsicht! Es ist gar nicht so einfach, „allein“ und „für sich“ zu sein. Ich weiß vorher nie, was mich in der Stille erwartet. Manchmal sind es Ängste, Sorgen, dunkle Ahnungen. Dann fliehe ich auch gern vor den Fernseher… 
Beides will gelernt sein: mit Menschen zusammen sein, Freude und Kummer teilen – und allein sein, spüren, was mich gerade bewegt, ohne auszuweichen oder mich überwältigen zu lassen.

Darum bitte ich in der Advents- und Weihnachtszeit: um erfüllte Gemeinschaft mit meinen Lieben und um Zeiten der Stille. Und wenn es nicht so sein kann? Nun, dann bitte ich um den nötigen Gleichmut, mein Leben dankbar und ohne zu klagen so zu nehmen, wie es nun mal ist.

Liebe zum Fahrrad?


„Dieses Fahrrad ist nie geliebt worden!“ schnauzt mich mein Fahrradhändler an, als ich mit dem noch gar nicht so alten Rad meines Sohnes um die Ecke komme.
Ich hatte gedacht, da wär noch was zu retten…Er hat ja Recht: mein Sohn hat höchstens mal Luft aufgepumpt – aber Pflege und Reparaturen – null…„Okay.“ denke ich, „Man kann ein Fahrrad sicher besser behandeln als ein sechzehnjähriger, ab und zu mal putzen, die Bremsen reparieren oder wenigstens die Kette ölen – aber sein Fahrrad lieben? Das ist doch wohl reichlich übertrieben. So´n Fahrrad ist schließlich nur ein Gebrauchsgegenstand.
Mein Sohn ist inzwischen erwachsen. Aber diese kleine Geschichte ist bei mir hängengeblieben. Heute verstehe ich meinen Fahrradhändler. Er kann über Fahrräder schwärmen wie kein zweiter, hat ein unglaubliches Fachwissen. Er liebt seinen Beruf und er tut alles dafür, dass seine Kunden genau das Fahrrad bekommen, dass sie brauchen.  Kein Wunder, dass der Mann seine Fahrräder wirklich liebt. Er kennt sie genau, ihre Vorzüge und Tücken, er weiß um ihre Bruchstellen – und die Leidenschaft, mit der sie gemacht wurden.
Ist doch eigentlich immer im Leben so. Wenn man nicht einfach nur gleichgültig benutzt, wenn man genau hinguckt, dann muss man ins Herz schließen. Dann fängt man an zu lieben.