Monat: September 2013

Erntedank

Ich will einen Tee kochen. Und ärgere mich erst mal. Der Wasserkocher ist voll. Das Wasser kalt. Ich nehme immer warmes Wasser. Weil es schneller geht und weil es Energie spart, ein bisschen jedenfalls.
Ich ziehe den Wasserkocher aus der Halterung, will das kalte Wasser in den Ausguss kippen.
Ich zögere:
Bist du verrückt? Du sparst jetzt einen Tropfen Öl, wenn überhaupt. Und was ist eigentlich kostbarer? Wasser oder Öl?
Der Mensch soll am Tag ungefähr zwei Liter pro Tag trinken.
Du bist also gerade dabei, die Hälfte deines Tagesbedarfs im Ausguss zu versenken.
Eine Sonnenblume, heißt es, braucht sehr viel Wasser: ungefähr einen halben Liter Wasser pro Tag. Ich könnte sie also zwei Tage lang versorgen!
Ich schüttele den Kopf, stelle den vollen Behälter zurück und drücke auf den Knopf.
Ohne Wasser kein Leben.

Übrigens:
1000 Liter Öl kosten 830 €.
1000 Liter Wasser 1,78 €.

O du mein Smartphone…

Ein Abend wie gemalt. Der Mond steht am Himmel, die Sterne funkeln.
Wir sitzen im Biergarten am Okerstrand, genießen den Spätsommer.
Am Nachbartisch ein junges Pärchen. Sie strahlt ihn mit großen Augen an.
Doch er?
Ich kann es nicht fassen! Er bekommt das gar nicht mit! Sein Blick ist starr nach unten gerichtet, auf sein Smartphone. Er tickert irgendeine Nachricht in das Gerät. Wahrscheinlich teilt er seinen Kumpels mit, wo er gerade ist. Triumph der Technik!
Der Zauber des Augenblicks ist verflogen.
Sie schaut gelangweilt in ihr Weinglas, er starrt weiter in sein Smartphone.
Als ich meinen Konfirmanden von dieser Szene erzähle, reagieren sie fast trotzig: „Ja Herr Meiners, so ist das heute! Man kann nicht mehr ohne! Schauen Sie sich doch mal um! In der Fußgängerzone! Im Bus! Sogar auf dem Fahrrad! Alle haben so ein Ding in der Hand. Man muss immer „on“ sein. Wer nicht dabei ist, ist so was von raus!“
Es stimmt. Überall starren Menschen auf diese kleinen Geräte und vergessen die Welt um sich herum. Ich kenne das auch. Es ist faszinierend: Ich sehe, was mein bester Freund in Sydney grade macht, höre Musik, die ich liebe, verbinde mich mit anderen, die das gleiche mögen wie ich, diktiere einen guten Gedanken für die Predigt am Sonntag.
Doch kein Mensch muss immer„on“ sein. Wir müssen lernen, mit den Dingern vernünftig umzugehen. Im Konfirmandenunterricht schreiben wir jetzt die „10 Gebote für den Umgang mit dem Smartphone.“ Und am Anfang steht die Erkenntnis:
Wer glaubt, ein Gerät kann einen Menschen ersetzen, den strahlen keine großen Augen an.

Friedhelm Meiners, Pastor an St. Martini