Monat: Mai 2014

Ich glaube…

Mai.
Alles blüht und gedeiht. Einfach so. Es braucht mich nicht. Aber ich darf dabei sein.
Sich selbst nicht so wichtig nehmen. Wird mir immer wichtiger. Irgendwo schwirrt eine kleine Meisen rum. Ich höre sie. Da sitzt sie plötzlich vor mir. Kuckt mich an. Fliegt wieder ab. Spinnweben am Strandkorb. Der Fingerhut fängt an zu blühen. Der Mohn war heutemorgen noch fast geschlossen. Jetzt blüht er in seiner ganzen Pracht. Das braucht mich alles nicht. Aber ich darf dabei sein. Die Sonne auf der Haut spüren. Sehen. Gott meine Augen leihen. Morgenlicht.

Ich glaube an Gott, den Schöpfer…
Über den Glauben reden ist im Mai wie Wasser am Fluss verkaufen.

Am Bett der alten Dame

Am Bett der alten Dame.
Sehe nur graue Haare, ein kleines Gesicht. Leuchtende Augen. Eine leise, atemlose Stimme mit leichtem Akzent.
Rumänien!
Die Heimat klingt mit, in jedem Wort.
Wie schön es da war! Doch dort gibt es schon lange keine Deutschen mehr.
Sie ist ganz allein; ihr Sohn mit knapp fünfzig gegangen. Sie hat ihn die letzten Jahre gepflegt.
Doch keine Bitterkeit in ihrer Stimme. Keine Trauer. Es ist wie es ist. Und es war gut.
Sie hat noch zwei Wünsche: die letzte Ölung. Und dass die Friseurin noch mal kommt.
Sie will ja schließlich gut aussehen, wenn sie da oben ankommt…

You`ll never walk alone

You never walk alone
Konfirmation 2014

Gleich nach dem Gottesdienst beginnt der letzte Bundesliga Spieltag der Saison. Eintracht Braunschweig hat noch eine minimale Chance, die Klasse zu halten. Die meisten der Konfirmandinnen und Konfirmanden fiebern mit.
Ich lege mir den Eintracht Schal um.
*
Wunder gibt es immer wieder.
Aber soll man sich drauf verlassen?
Ich finde schon.
Und wer weiß, vielleicht geschieht heute Nachmittag ja eins.
Ein Fußballwunder.
Wunder gibt es immer wieder. So hieß vor vielen Jahren ein Schlager. Und der ging so weiter:
„Wunder gibt es immer wieder – wenn sie dir begegnen musst du sie nur sehn.“
Das ist das erste, was ich Euch, liebe Konfirmandinnen und Konfirmanden, heute sagen möchte:
Ihr seid solche Wunder: Eben ward Ihr noch so klein und verletzlich und jetzt seid Ihr so groß – fast schon erwachsen; erwachsener, als wir uns eingestehen wollen.
Ja, wir sind heute auch hier, weil wir Gott danken wollen – für das Wunder, dass er uns mit euch geschenkt hat.
Wir hatten im Konfer eine tolle Zeit miteinander. Dafür will ich heute ganz persönlich danken. Wir hatten lebhafte Gespräche. Wir haben viel miteinander unternommen: die Freizeit im Harz, das Pilgern durch den Elm, der Besuch im Hospiz.
Ihr habt Euch auf so vieles eingelassen, wart offen und wissbegierig. O ja, Ihr macht Euch eine Menge Gedanken über Gott und die Welt, über Euren Glauben. Und nun werden Ihr konfirmiert. Gefestigt im Glauben.
Ich habe Euch in der letzten Konfer Stunde gefragt, was die Konfirmation Euch bedeutet. Die meisten von Euch haben gesagt:
„Wir werden erwachsen. In unserem Leben beginnt ein ganz neuer Abschnitt.“ Ihr habt Recht.
Ihr geht im Glauben Eure eigenen Wege. Aber, und das sollt Ihr wissen: Ihr geht nicht allein.
*
Nachher ist das große Bundesligafinale. Und ich glaube ja, Ihr könnt vom Fußball einiges lernen für das, was vor Euch liegt.
Das erste: Glaubt nicht, wenn sie euch sagen: Da musst du alleine durch. Du bist ein Einzelkämpfer. Jeder ist sich selbst der Nächste. Nein. Du bist immer Teil einer Gruppe, einer Gemeinschaft. Wir Christen wissen: Das Leben ist ein Mannschaftssport.
Wir beten Vater unser – und nicht Mein Vater.
Jesus war gemeinsam mit seinen Jüngern unterwegs. Er hat immer wieder betont: „Wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen.“
Erinnert euch immer mal wieder daran: Ihr seid nicht allein. Ihr lebt auch nicht nur für Euch selbst.
Doch das heißt nicht, dass du dich hinter anderen verstecken kannst. Keine Ahnung, was du gerade bist: Verteidiger, Stürmer, Torwart – vielleicht auch Schiedsrichter. Das Leben hält viele unterschiedliche Rollen für dich bereit. Egal, wo Gott dich gerade hinstellt: Du wirst gebraucht. Gib dein Bestes. Du bist nicht allein, aber es kommt auf dich an.
Also: Versteck dich nicht. Sieh zu, dass du den Ball bekommst.
Und dann?
Dann musst du eins wissen – und das ist ganz wichtig: Der Ballführende wird immer angegriffen. Egal, ob du eine gute Idee hast, ob du Erfolg hast oder gerade besonders glücklich bist im Leben: Es wird immer Menschen geben, die dich angreifen, die neidisch oder eifersüchtig sind, die wollen, was du gerade hast. Das ist eine ganz normale Zugabe des Lebens. Täusch dich nicht: Wenn dein Leben erfüllt, wenn dein Leben gut ist, dann wirst du immer auch leiden. Jesus drückt das so aus: Wenn du ein gutes Leben willst, wenn du Christ sein willst, dann nimm dein Kreuz auf dich. Ja, Leben heißt immer auch leiden. Ohne geht es nicht.
In der Fußballsprache: Du wirst gefoult und das ist bitter.
Aber Du bist auch kein Engel, teilst auch selber ganz gut aus. Gönnst den Anderen ihren Erfolg nicht. Willst den Ball. Um jeden Preis. Manchmal zeigt das Leben dir dafür die Gelbe Karte. Und wenn es ganz schlimm kommt, auch mal die rote. Dann bist du für eine Weile raus. Erinnere dich also immer wieder daran: die anderen sind keine Engel – aber du bist es auch nicht. Wir Christen sagen: Wir sind Sünder. Du hast es immer wieder nötig, dass dir verziehen wird.
Aber auch das sagt unser Glaube: Es gibt keine lebenslange Sperre. Du gehörst immer noch dazu. Denn du bist getauft. Du gehörst zu Gott, du gehörst zum Leben. Du bist genau so wichtig wie die Sterne am Himmel. Du hast ein Recht auf dieser Welt zu sein. Dein Leben ist gewollt.
Und auch wenn das bei den Menschen nicht immer so ist: Gott schenkt dir immer wieder einen neuen Anfang.
*
Also: Der Ballführende wird angegriffen. Das wird dir im Leben passieren. Immer wieder.
Es ist gut, wenn du dann den nötigen Glauben und das nötige Selbstvertrauen hast, um deine Ideen und deine Wahrheit zu verteidigen, wenn du für etwas stehst im Leben.
Aber auch das können wir vom Fußball lernen:
Es gibt nichts Schlimmeres als die Alleinikows.
Das sind die, die den Ball niemals hergeben. Die meinen, dass sie und nur sie die Wahrheit gepachtet haben und dass nur sie es wirklich können. Nein. Im Fußball hat noch keiner ein Spiel alleine gewonnen. Und im Leben auch nicht. Schenk anderen Vertrauen. So wie sie dir Vertrauen schenken. Gib ihnen den Ball. Lass sie tun, was sie besser können als du. Und freu dich an ihren Fähigkeiten. Wir gehören alle zusammen. Und wenn es einem gut geht, dann geht es allen gut. Doch wenn es einem schlecht geht, dann leiden alle mit.
*
Wie Ihr sicher schon gemerkt habt, war ich in dieser Saison oft im Stadion. Es war unglaublich schön, weil es fast immer friedlich war und weil wir hier in Braunschweig in diesem Jahr gelernt haben: Es kommt nicht nur auf den Erfolg an. Es geht auch darum, dass alle ihr Bestes geben, dass sie anständig miteinander umgehen, auch in der Niederlage.
Mein schönster Moment?
Eintracht liegt kurz vor Schluss gegen Stuttgart 4:0 zurück. Und das ganze Stadion singt:
„You never walk alone.“
Gänsehaut pur.
Und genau das wünsche ich Euch, dass Ihr das immer wisst: auch wenn es schief geht, auch wenn es im Leben nicht läuft, wenn es regnet und stürmt:
Ihr seid nie allein unterwegs. Wir sind für Euch da. Gott, zu dem Ihr Euch heute bekennt, will, dass Ihr lebt.
*
Aber was ist, wenn es gar nicht läuft? Wenn das Wunder ausbleibt, wenn all Eure Bemühungen umsonst sind, wenn Ihr absteigt?
Liebe Konfirmandinnen und Konfirmanden, ihr sprecht gleich gemeinsam das Glaubensbekenntnis:
Ich glaube an Jesus Christus: gelitten, gekreuzigt, gestorben und begraben. Erinnert euch in den dunklen Tälern Eures Lebens an ihn:
Es war alles vorbei. Verlassen von Gott und den Menschen. Und dann begann ein ganz neues Leben, unvergleichlich und so groß, wie es sich kein Mensch ausdenken kann.
Niederlagen, Abstieg, ja selbst der Tod: Nichts kann uns trennen von der Liebe Gottes.
You never walk alone.
Ich wünsche Euch, dass Ihr das nie vergesst.
Amen.