Schlagwort: Abendmahl

Abendmahl oder „Tisch voll“

Wir sitzen in unserem Lieblingsrestaurant, alle sind in die Speisekarte vertieft. 
„Hört sich alles so lecker an,“ sage ich, „ich weiß gar nicht, was ich nehmen soll…“
„Geht mir auch so“ seufzt mein Freund Tommy. „Aber wisst Ihr was? Wir machen das heute mal anders! Jeder und jede bestellt, worauf er oder sie am meisten Appetit hat – und alles kommt mitten auf den Tisch.“
„Und dann?“ frage ich. 
„Wir lassen uns jeder und jede einen leeren Teller geben. Dann können wir von allem probieren!“
Ich bin ja ein bisschen skeptisch, aber warum nicht? Wir probieren das aus.
Dann wird serviert: Der Tisch biegt sich unter den leckersten Speisen: Pilzrisotto, Käsespätzle, eine vegane Linsencremesuppe, Gulasch mit Spätzle, Caesar Pommes… 
Wir sitzen um den voll gedeckten Tisch, wir reden, lachen und schwelgen: 
„Die Spinatknödel musst du unbedingt probieren!“
„Die Quiche! Ein Genuss! Koste mal!“ 
„Gratinierter Ziegenkäse – hätte ich nie bestellt, aber so lecker!“ 
Zwischendurch ein paar Pommes und ein Stück von der Currywurst – hat auch was…Es wird ein wunderbarer Abend.
So ähnlich stelle ich mir vor, haben die ersten Christinnen und Christen in Korinth jeden Abend das Abendmahl gefeiert:  im großen Kreis am festlich gedeckten Tisch – reden und lachen, das köstliche Essen teilen, das Leben feiern.
Wir sollten das auch öfters tun… 

Pepe

Carlos, ein guter Freund von meinem Sohn Johannes, lebt in Spanien, in Malaga. Diesen Herbst haben wir ihn besucht. Es war wunderbar. Am zweiten Abend lernte ich Pepe kennen, Carlos Papa. Der kam zur Tür hereinspaziert, begrüßte mich mit einem strahlenden Lächeln und stellte eine Schale Scampi auf den Tisch. Ich hob hilflos die Hände: „Wie soll ich die denn essen?“
Pepe lachte und machte es mir vor: Er hob einen Scampi hoch, knipste die Scheren ab, pulte die Schuppen vom Fleisch und schob es sich genussvoll in den Mund. 
Ich musste ein bisschen üben – Pepe hat sich sehr amüsiert – doch dann konnte ich auch ganz gut Scampi puhlen und Pepe hat mir applaudiert.
Es wurde ein wunderbarer Abend – obwohl ich kein Wort Spanisch kann – und Pepe kein Wort Deutsch. 
Es ist ja wirklich so: Wenn wir zusammen am Tisch sitzen, gemeinsam essen und trinken, dann braucht es keine Worte. Daran erinnern wir uns, wenn wir in der Kirche Abendmahl feiern, aber auch wenn wir am Mittagstisch sitzen – mit unseren Lieben oder mit Menschen, die uns noch fremd sind. 
Jesus hat mit allen zu Tisch gesessen: mit seinen Jüngerinnen und Jüngern und mit den Fremden, die er gerade eben erst kennengelernt hat. 

Dietrich Bonhoeffer und Gründonnerstag

Heute ist Gründonnerstag.
Wir Christinnen und Christen erinnern uns an das erste Abendmahl: Jesus sitzt mit seinen Jüngern am Tisch. Sie gehören alle zusammen. Dabei sind sie wahrlich keine Helden:
Judas wird ihn verraten. Petrus wird ihn dreimal verleugnen, bevor der Hahn kräht. Jakobus und Johannes werden einschlafen, als Jesus sie am meisten braucht. Aber er schickt keinen von ihnen weg. Sie sitzen alle miteinander am Tisch.
Wie mögen sie sich fühlen, am Tag danach?
Ob sie sich dieselbe Frage stellen wie viel, viel später Dietrich Bonhoeffer? 
Er wurde heute vor 75 Jahren, kurz vor Ende des 2. Weltkrieges, ermordet. 
Dietrich Bonhoeffer war der Seelsorger der Widerstandskämpfer vom 20. Juli 1944 – aber nicht mit stolzgeschwellter Brust, sondern getrieben von Ängsten und Zweifeln.
Er schreibt aus seiner Gefängniszelle:
„Wir sind stumme Zeugen böser Taten gewesen, wir sind
mit vielen Wassern gewaschen, wir haben die Künste
der Verstellung und der mehrdeutigen Rede gelernt, wir sind
durch Erfahrung misstrauisch gegen die Menschen geworden… 
sind wir noch brauchbar?“
Heute ist Gründonnerstag. Es ist auch der Tag der Ängstlichen, der Zweifelnden, der Gebrochenen. Wir sitzen alle mit am Tisch. Niemand wird weggeschickt.
Die Liebe führt uns zusammen. 

Essen und Teambuilding

Essen als „Teambuilding“
Thomas Tuchel, inzwischen Trainer bei Paris Saint German, hat mal über sein erstes Trainingslager mit der Mainzer Mannschaft erzählt. „Da ging es im Grunde nur darum, uns kennenzulernen. Nach dem Auftakt-Training habe ich der Mannschaft gesagt: ‚Wir treffen uns um halb acht zum Abendessen.‘ Als ich dann pünktlich in den Speisesaal ging, kamen mir einige Spieler entgegen. Die hatten schon gegessen. Kurz nach halb acht saß ich dann alleine am Tisch.“
Das ärgert den Trainer. Am nächsten Tag sagt Thomas Tuchel zur Mannschaft: „Okay. Mittagessen ist um 12.30 Uhr. Aber ich möchte, dass wir gemeinsam beginnen. Ich sage guten Appetit – erst dann fangen wir an.“
Doch auch das läuft schief. Als er die Suppe gegessen hat, gehen die ersten Spieler schon wieder. Also verschärft Thomas Tuchel noch einmal die Regel: „Wir beginnen gemeinsam und bleiben mindestens 20 Minuten am Tisch sitzen.“
Und diese Ansage funktioniert. Die Spieler sitzen fast eine Stunde am Tisch, reden, lachen, warten bis der letzte aufgegessen hat, berichtet Thomas Tuchel.
In der modernen Sprache nennt man so eine Maßnahme „Teambuilding.“ Früher hätte man wohl „Benimmunterricht“ dazu gesagt. Egal: Gemeinsames Essen ist mehr als Nahrungsaufnahme. Es verbindet, bringt Freude ins Leben.
Wir Christen kennen das vom Abendmahl. Wir essen einen Bissen Brot, trinken einen Schluck Wein. Wir feiern damit das Leben und sagen: Wir gehören zusammen, sind verbunden mit der ganzen Schöpfung.

Freiheit

Freiheit

Cora ist Sklavin. Sie lebt in den Südstaaten der USA. Das Leid, dem sie und ihre Mitsklaven ausgesetzt sind, ist unbeschreiblich. Die Knochenarbeit auf den Baumwollfeldern, von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang. Sechseinhalb Tage die Woche. Die Folter und die Übergriffe durch ihre Aufseher und „Besitzer,“ Willkür und Vergewaltigung. Familien gibt es nicht. Die Kinder werden verkauft, sobald sie arbeiten können. Cora erträgt das nicht länger. Sie will frei sein. Frei von Gewalt, Willkür und Hass. Sie flieht.
Ihr Schicksal erzählt der Roman „Underground Railroad“ von Colson Whitehead.
Nach unendlichen Entbehrungen strandet Cora schließlich auf der Valentine Farm. Dort leben geflohene Sklaven und von ihren „Besitzern“ freigelassene. Sie lernt lesen. Sie lernt politisch diskutieren. Sie erlebt was es heißt, frei zu sein. Natürlich hat sie auch Pflichten. Auch auf dieser Farm muss sie hart arbeiten. Hier baut man keine Baumwolle an, sondern Mais. Doch zu ihrem Erstaunen macht ihr das nichts aus. Sie sagt: „Bis jetzt dachte ich immer: Ich bin frei, wenn ich tun und lassen kann, was ich will. Wenn ich geschützt bin vor Willkür und Unrecht. Aber das ist nicht alles.“ Cora erkennt:

„Freiheit ist eine Gemeinschaft, die für etwas Schönes und Seltenes arbeitet.“

Morgen ist Palmsonntag. Wir denken an den Einzug Jesu in Jerusalem. Er kommt nicht allein. Jesus kommt mit Menschen, die genau das tun: Sie arbeiten gemeinsam für etwas Schönes und Seltenes. An seinem Tisch sind alle gleich: Männer und Frauen, Gebildete und Ungebildete, Fremde und Freunde. Dafür bejubeln sie ihn. Dafür werden sie ihn hassen und kreuzigen.
Doch auf Karfreitag folgt Ostern.
Die Freiheit der Liebe ist stärker als der Tod.