Ge – danken zum Erntedank für die Braunschweiger Zeitung
Ich stehe an der Wursttheke im Supermarkt. Der Mann vor mir ist ganz vertieft in all die Leckereien. Geben Sie mir noch hundert Gramm von der feinen Leberwurst. Und sieben Scheiben von der Salami nein, nicht von der! Von der rechts daneben! Ja genau. Und dann noch hundert Gramm Schinken. Aber hauchdünn, ja?
Er schaut nicht ein einziges Mal auf, nimmt die Verkäuferin überhaupt nicht wahr. Als sie ihm sein Paket über den Tresen reicht, ist er mit den Augen schon am Käsestand.
Und ich denke an den Sommerurlaub: an den kleinen Laden am Strand in der Bretagne. Ich habe dort jeden Morgen mein Baguette gekauft. Die Schlange dort war viel länger als hier, aber wir hatten immer viel Spaß: die Verkäuferin hat mein Französisch korrigiert und mir erzählt, wie das Wetter wird. Sie hat gefragt, woher ich komme und wie es mir an ihrem Strand gefällt.
Seltsam, denke ich. Warum gelingt das im Alltag nicht? Warum kann dieser Mann nicht mal Danke sagen? Liegt es am Stress? Oder ist es einfach nur Gedankenlosigkeit? Ein Mangel an Respekt? Oder muss man sich für eine Dienstleistung nicht bedanken?
Morgen ist Erntedank. Und ich glaube, dass genau damit das Danken anfängt: dass wir einander wahrnehmen, dem anderen für das danken, was er mir schenkt, jeden Tag und einfach so, dass wir ein Lächeln teilen und nicht nur Geld gegen Ware.
Wofür werde ich morgen im Gottesdienst besonders danken? Für Essen und Trinken, natürlich. Für das Dach über dem Kopf und die Schönheit der Natur. Aber auch für all die Menschen, die jeden Tag für mich da sind, die dafür sorgen, dass es mir gut geht: für die Verkäuferin auf dem Markt, die sich freut, wenn sie noch ein Brot für mich hat und die bedauernd lächelt, wenn ich mal wieder zu spät dran bin.