Kriegsgräber
Wir wandern mit unseren Konfirmanden durch den Harz, zum Soldatenfriedhof zwischen Torfhaus und Oderbrück. Der Friedhof ist sehr gepflegt, die Inschriften gut zu erkennen. Hier liegen junge Menschen begraben, fast noch Kinder, sechzehn, siebzehn Jahre alt. Erschossen in den letzten Wochen und Tagen des Krieges. Einige noch im Mai 1945. Die Konfirmanden gehen von Grabstein zu Grabstein. Lesen. Schweigen.
Als wir weitergehen, finden sie ihre Sprache wieder. Kurze Sätze: Mein Bruder ist sechzehn. Ich hätte dann ja nur noch zwei Jahre… Einer erzählt von seiner Großmutter. Ihr Bruder ist in Russland vermisst.
Sie fragen: Wie konnte das passieren? So junge Menschen!
Sie waren das letzte Aufgebot. Häuserkampf in Braunlage. Sollten verteidigen – ja was eigentlich?
Der zweite Weltkrieg. Für vierzehnjährige ist das eine Ewigkeit her. Doch auf dem Soldatenfriedhof kommt die Geschichte näher. Krieg. Sie bekommen eine Ahnung, was das heißt.
Heute, am Samstag vor dem Volkstrauertag, sammeln Braunschweiger Bürger in der Innenstadt für die Kriegsgräberfürsorge. Sie stoßen dabei auch auf Unverständnis: Was soll das noch? Der Krieg ist doch schon lange vorbei! Nein. Er ist nicht vorbei. Nicht für die, die sich noch erinnern an ihre Väter und Brüder, an den Bräutigam, der nicht zurückkam. Sie brauchen Orte der Erinnerung. Er ist auch nicht vorbei für die Jüngeren. Sie brauchen diese Orte des stummen Protestes der Toten: Nie wieder Faschismus! Nie wieder Krieg!