Echte Kerzen
Die Kerzen meiner Kindheit waren natürlich aus Wachs. Doch ich sehe sie nur noch selten. In den meisten Wohnzimmern sind die elektrischen Kerzen eingezogen. Die sind so praktisch. Du musst nicht ständig neue aufstecken. Ein kleiner Dreher und alle brennen. Den ganzen Tag. Elektrische Kerzen sind auch nicht so gefährlich. Du verbrennst dir die Finger nicht mehr und die Feuerwehr freut sich, dass unsere Wohnungen nun sicherer sind.
Aber bei uns zu Hause sind die Kerzen immer noch aus echtem Wachs. Ach, ich mag ihn sehr, den Weihnachtsbaum mit „echten“ Kerzen. Er riecht nach Wachs und manchmal auch nach verbrannter Tanne.
Echte Kerzen sind für mich ein Bild für den Glauben.
Sie wärmen und tauchen die Welt in ein warmes Licht. Aber du kannst dir nie ganz sicher sein. Du kannst dich auch verbrennen, kannst irre werden am Leben und an Gott. Weil Gott so anders ist, als du ihn mit deinem kleinen Verstand begreifen kannst. Weil er dir nicht im Scheinwerfer begegnet, sondern in so einem kleinen, flackernden Licht.
Und manchmal ist es tatsächlich so: Ein Windhauch und dein Glaube erlischt. Plötzlich stehst du in der Finsternis, wie Maria und Joseph: „Wie kann Gott das zulassen? Was hat das alles für einen Sinn?“
Dann wieder begegnet dir das Wunder des Lebens: ein kleines, zartes Kind – verletzlich und hilflos. Und dir wird warm und licht ums Herz. Und du weißt, worum es geht in diesem Leben: Licht und Wärme in die Finsternis bringen. Dich selbst verschenken. So wie dieses Kind. So wie alle Kinder.