Woran kann ich eigentlich spüren, ob mein Leben gerade gut ist, ob es gelingt?
Einer meiner Lieblingssätze aus der Bibel steht ganz am Anfang, im ersten Buch Mose. Dort heißt es:
„Ich will dich segnen und du sollst ein Segen sein.“
Dieser Satz wird zu Abraham gesagt, dem Urahnen unseres Glaubens. Der hat seine besten Jahre hinter sich. Doch sein Leben ist ihm zu eng geworden. Er bricht noch einmal auf. Gemeinsam mit seiner Frau Sarah zieht er in die Fremde. Sie haben keinen wirklichen Plan, aber diesen Satz im Herzen: „Ich will dich segnen und du sollst ein Segen sein.“ Die beiden gehen durch viele Krisen, machen viele Fehler, ihre Ehe droht zu zerbrechen. Aber sie sind immer auch für andere da: Sie kämpfen für Lot, ihren Neffen, sie sorgen sich um Isaak, ihren Sohn.
Ob du gesegnet bist, ob dein Leben gelingt, das spürst du nicht daran, ob du erfolgreich bist oder viel Geld hast. Der wahre Reichtum ist das, was du für andere tust.
Egal, wie alt du bist: Sei ein Segen für die Menschen, die dir begegnen.
Sei für sie da.
Bleib offen für das, was dir geschenkt und was dir zugemutet wird.
Lebe die Freiheit – für dich und für die Menschen, die dir anvertraut sind.
Schlagwort: Abraham
Abraham
Wort zum Sonntag für die Braunschweiger Zeitung:
Urlaub in der Bretagne.
Ich gönne mir jeden Morgen ein kleines Ritual: setze mich auf die Terrasse eines Cafés, trinke einen Espresso und genieße den herrlichem Blick auf den Atlantik.
Am Nachbartisch sitzt ein alter Mann: vom Wetter gegerbtes Gesicht, grauer Bart und eine Pfeife im Mund. Ein alter französischer Seebär denke ich. Der ist bestimmt lange Jahre mit seinem Fischerboot aufs Meer gefahren und jetzt genießt er seinen Ruhestand.
Nach drei Tagen spricht er mich an – im besten Schwiizerdütsch! Ein Urlauber, genau wie ich.
Er hat natürlich auch gerätselt, was ich wohl für einer bin und auf einen sozialen Beruf getippt. So ganz falsch liegt er damit ja nicht. Und Sie? frage ich, was machen Sie? Ich bin von Haus aus Psychologe erzählt er, habe viele Jahre in Kinder- und Jugendheimen gearbeitet. Aber als die Kinder aus dem Haus sind, haben meine Frau und ich noch mal ganz von vorne angefangen. Wir sind nach Schweden gezogen, an den Siljansee. Da bieten wir im Winter für die Touristen Schlittenfahrten an. Wir haben über dreißig Hunde und natürlich ein paar Hühner, Schafe…
Und? frage ich, Wie ist das neue Leben? Er lächelt Ich habe Jahre gebraucht, um mich zu gewöhnen. Unser Dorf hat fünfzig Einwohner. Der nächste Nachbar wohnt zweihundert Meter weiter. In der Stadt hast du immer was vor. Die Zeit ist knapp. Und jetzt? Wenn der Nachbar vorbeikommt, gibt es erst mal einen Kaffee. Immer. Die Männer reden nicht dauernd über ihren Beruf. Aber sie fragen dich sofort: Wann warst du das letzte Mal angeln und was hast du gefangen?
Der Mann am Meer erinnert mich an Abraham. Er ist im Alter gemeinsam mit seiner Frau in ein fremdes Land gezogen. Er hat ein neues Leben und einen neuen Glauben gefunden.
Er wirkt glücklich.
Das macht Mut.
Friedhelm Meiners, Pastor an St. Martini
Abraham oder die Versuchung des Alters
Abraham aber war fünfundsiebzig Jahre alt, als er aus Haran zog.
Ein alter Mann, fürwahr! Was hat den eigentlich getrieben?
In der Bibel heißt es ganz schlicht: Und der Herr sprach zu ihm.
Den Herrn kannst du durch das Leben ersetzen, oder die Sehnsucht oder auch die drohende Langeweile. Jedenfalls verfolgt er ein ganz anderes Lebensmodell als wir: Mit 75 will doch nun wirklich keiner mehr arbeiten. Und schon gar nicht die Stadt verlassen und als Nomade durch die Gegend ziehen. Rechtlos und nur mit dem, was er und seine Sippe tragen kann. Altersvorsorge hat er ja betrieben, er ist ein vermögender Mann. Und wenn er schon keinen Sohn hat, so doch Lot, seinen unsteten Neffen. Den zieht er mit.
Er gibt seine Träume nicht auf; nicht den vom Sohn und auch nicht von den von einer Zukunft. Und er ist sich sicher, dass das Leben auf seiner Seite steht, immer noch. Warum eigentlich? Er ist alt. Hat es hinter sich. Nicht nur für uns, auch für seine Verwandtschaft, für seines Vaters Haus. Die Erben lecken sich schon die Lippen. Wo kein Sohn ist wird verteilt.
Er hört eine Stimme.
Die sagt: Das war es noch nicht, mein Lieber!
Es ist so schön, sich einzurichten. Es ist so bequem zu sagen: Das muss ich mir nicht mehr antun. Es ist ja vorgesorgt.
Abraham sagt das nicht.
Er widersteht der Versuchung des Alters.