Schlagwort: Schöpfung

Vögel füttern

Vögel füttern

Es gibt Menschen, die füttern die Vögel im Winter – und solche, die füttern das ganze Jahr. Zu denen gehöre ich. Noch vor dem Frühstück mache ich mich auf zur Futterstelle im Garten. Streue Fettfutter ins Vogelhaus. Hänge Meisenknödel in den Baum. Fülle die Spender für Erdnüsse und Sonnenblumen auf, wasche die Wasserschalen aus und gebe frisches Wasser rein. 
Und was geben die Vögel mir dafür?
Eigentlich nichts. 
Sie kommen vorbei wann sie wollen und gönnen mir für einen Moment ihren Anblick. Kohlmeisen und Amseln kommen allein oder höchstens zu zweit. Spatzen und Stare in großer Schar. Die Meisen sind sofort da, wenn es frisches Futter gibt. Sie lassen sich nicht von mir stören. Der Eichelhäher ist vorsichtig. Er sitzt im Baum und wartet. Er mag es gar nicht, wenn ich im Garten bin. Aber kaum bin ich weg, ist er da.
Manchmal kommt ein Sperber vorbei auf der Jagd nach Beute. Dann machen die Spatzen ein Riesengezeter und verschwinden in der Hecke. Der Sperber hinterher – aber er hat keine Chance. 
Mit den Vögeln an der Futterstelle ist es wie mit lieben Menschen: Sie müssen mir nichts geben. Es reicht, dass sie da sind, mich daran erinnern: Das Leben ist ein Wunder – ein Geschenk Gottes

Von Bäumen und Menschen

Der Förster Peter Wohlleben redet gern von der „menschlichen Seite“ der Bäume. 
Das klingt ja erst mal etwas seltsam. Aber dann erzählt er in seinem Buch von einem uralten Buchenstumpf in seinem Wald.  Der schlägt immer wieder aus. 
Peter Wohlleben sagt: „Mir wurden in diesem Moment klar: Dieser Baumstumpf wird von den gesunden, großen Buchen mitversorgt. Sie sorgen für ihn wie Kinder für ihre alte Eltern. Die Bäume stehen in ganz engem Kontakt!“
Ein Biologe schüttelt den Kopf. Er sagt in einem Interview: „Was mich an Wohlleben am meisten ärgert, ist, dass er die Bäume vermenschlicht. Die alte Wurzel ist streng genommen ein Schmarotzer. Gerade bei Buchen herrscht ein knallharter Kampf ums Überleben. Nur die wenigsten schaffen es bis ganz nach oben.“ 
„So, so“ denke ich. „Vermenschlichung ist schlecht…“
Aber du sprichst vom „Kampf ums Überleben.“ 
Dabei stehen die Buchen doch einfach nur im Wald rum und wachsen vor sich hin. Die „kämpfen“ doch gar nicht.“ 
Mir ist klar geworden: Wir brauchen diese Bilder, diese Vermenschlichung, um die Welt zu verstehen.  
Wir Christen sagen in der Karwoche: „Gott leidet mit diesem Menschen am Kreuz.“
Andere sagen: „So ein Unsinn! Wenn es überhaupt einen Gott gibt, dann leidet der nicht. Wir sind dem total egal. Jeder muss sehen, wo er bleibt.“
Auch hier zwei Bilder, die einander gegenüberstehen: 
Ewiger Kampf – oder ewige Liebe.
Beweisen kann ich nichts. Aber ich kann an den Bilder erkennen, wie ich zum Leben stehe, auch zu meinem eigenen. 
Ich glaube nicht an den kalten, harten Kampf ums Überleben. 
Ich glaube, dass die Liebe bei uns ist. 
Auch im Kreuz, auch im Leiden. 

Wenn es einen Gott gibt…

„Es gibt keinen Gott!“ sagt er wütend. „Der hätte den Menschen nie geschaffen! Der Mensch ist der reinste Pfusch! Macht alles kaputt!“
Ich muss lachen.
„Warum lachst du?“ fragt er, noch wütender.
Ich zeige hinter ihn: da kommt die kleine Anna um die Ecke gewackelt. Anna ist gut eineinhalb Jahre alt. Jetzt läuft sie fröhlich juchzend auf ihren Opa zu. Der strahlt über das ganze Gesicht und breitet die Arme aus.
„Pfusch?“ frage ich.
„Nein! Anna ist perfekt! Ein Wunder! Aber das meine ich auch nicht…“
Ich weiß, was er meint.
Er redet, wie wir alle gern reden. Er redet von „dem Menschen.“ Und „der Mensch“ ist von übel, der macht alles kaputt.
Doch „den Menschen“ gibt es nicht.
Es gibt nur viele liebenswerte Menschen, wie die kleine Anna und ihren Opa.
Und Gott, der Schöpfer?
Ich glaube nicht an einen Alleskönner Gott, an einen der an sieben Tagen die perfekte Welt geschaffen hat und fertig.
Nein, perfekt ist diese Welt wahrlich nicht. Aber wunderschön.
Louis Armstrong hat diese Schönheit besungen.
Auf Deutsch klingt das so:
Ich sehe Bäume so grün,
rote Rosen blühn,
sie öffnen sich
für dich und für mich.
Und ich denk bei mir selbst:
Gott, wie schön ist die Welt.

Ich sehe den Himmel tiefblau
und Wolken schneeweiß
ein ganz neuer Tag,
die Nacht ist vorbei
und ich denk bei mir selbst:
Gott wie schön ist die Welt.

Die Farben des Regenbogens
stehen am Himmel, wunderschön,
und leuchten in den Gesichtern der Menschen,
die vorübergehen.
Freunde schütteln die Hand,sagen: „Wie geht es dir?“
doch eigentlich ist gemeint:
„Ich mag dich so sehr.“
Und ich denk bei mir selbst:
Gott wie schön ist die Welt.

Ich höre Babys schreien,
sehe wie sie gedeihen.
Sie wissen viel mehr
Als man mich je  gelehrt
Und ich denk bei mir selbst:

Gott wie schön ist die Welt.

 

Ja, die Welt ist wunderschön.
Aber was ist mit dem Leid? Mit der geschundenen Natur?
Ich glaube: Gott ist die Liebe. Diese Liebe leidet mit jedem Spatz, der kein Platz mehr für sein Nest findet, weil wir alles zugepflastert haben und die Liebe breitet die Arme aus für jedes Baby, das in die Welt kommt, obwohl wir schon viel zu viele sind.

 

Tu was!

Tu was
„Im Übrigen ist in den letzten Jahrzehnten leider viel zu viel über das, was man tun sollte oder könnte geschrieben und geschwafelt worden – leider auch von mir. Jetzt gilt es vor allem, anzupacken.“ (Peter Bertold, Unsere Vögel, S. 16)
Das schreibt Peter Bertold, ein Mann, der weiß, wovon er spricht.
Peter Bertold kämpft seit Jahrzehnten für unsere heimischen Singvögel. Er war viele Jahre Leiter der Vogelwarte in Radolfzell. Dort hat er hautnah miterlebt, wie dramatisch die Zahl der Vögel zurückgeht. Peter Bertold hat gewarnt und gekämpft und er hat ein einfaches Konzept entwickelt: Wenn wir nur zehn Prozent unserer Fläche den Pflanzen und Tieren überlassen würden, dann wäre allen geholfen. Mit dieser Idee war er sogar beim damaligen Bundeskanzler Helmut Kohl. Der fand die Idee spannend. Doch Helmut Kohl hatte auch seinen Landwirtschaftsminister dabei. Und Peter Bertold schreibt: „Als ich dem in die Augen sah, da wusste ich: Es hat keinen Zweck.“
Danach ist Peter Bertold in ein tiefes Loch gefallen. Er hatte das Gefühl: „Du kannst tun und lassen was du willst. Es hat keinen Sinn. Es ändert sich nichts.“
Doch irgendwann hat er sich wieder aufgerafft. Heute, mit 85 Jahren, ist er ein glücklicher und zufriedener Mann.
Was ist passiert?
Peter Bertold hat das getan, was er tun konnte: Gemeinsam mit anderen hat er erste Biotope in seiner Heimat am Bodensee angelegt: Er hat Hecken gepflanzt und Teiche angelegt. Und er hat leidenschaftlich dafür gekämpft, dass wir endlich anfangen, Amsel, Drossel, Fink und Star zu füttern – nicht nur im Winter, sondern das ganze Jahr über. Er sagt: „Wir werden die Welt nicht retten, aber wir können mit unserer Liebe das schlimmste verhindern.“
Es ist so: Man sollte – man könnte – man müsste – das treibt uns in die Ohnmacht. Aber die Liebe ist der Weg der kleinen Schritte.
Jesus drückt das so aus: „An ihren Taten sollt ihr sie erkennen.“

 

Der Astronaut

Im Radion höre ich zurzeit am liebsten ein Lied  Andreas Bourani: „Der Astronaut.“  Bouranis Lied „Ein hoch auf uns“ macht ja schon gute Laune, aber der „Astronaut“ hat Tiefgang. Da steckt alles drin: die Freude an der Schönheit unserer Welt und die Klage über ihren Zustand.
Das Lied nimmt uns mit ins Weltall:
„Im Dunkel der Nacht, hier oben ist alles so friedlich, doch da unten gehts ab, / Wir alle tragen dazu bei, doch brechen unter der Last, / Wir hoffen auf Gott, doch haben das Wunder verpasst, / Wir bauen immer höher bis es ins Unendliche geht, / Fast acht Milliarden Menschen, doch die Menschlichkeit fehlt.“
Ja, manchmal ist es zum Verzweifeln. Ich muss aufpassen, dass ich nicht verbittere. Aber ich weiß genau: ich halte das nur aus, ich kann nur etwas ändern, wenn ich auch die Schönheit dieser Welt noch sehe:
Ein Astronaut hat es gut. Er sieht die Welt von oben. Wenn er aus dem Fenster schaut, zieht unser wunderschöne blaue Planet an ihm vorbei. Der Astronaut Rusty Schweickart erzählt: „Es ist unbeschreiblich. Du schaust aus dem Fenster und siehst das alles an dir vorüberziehen:  Kalifornien, Florida … Dann freust du dich auf die Westküste von Afrika, auf den Sinai, auf Europa… Und plötzlich fällt es dir wie Schuppen von den Augend. Dir wird klar: Seit deiner Schulzeit hast die Erde immer mit Linien gesehen. Auf den Landkarten sieht immer Linien!  Sie markieren die Grenzen zwischen den Staaten, oft tödliche Grenzen. Doch von da oben siehst du: Diese Grenzen gibt es gar nicht! Sie sind nichts als eine Einbildung von uns Menschen.“
Tja, so ist das, wenn man den Blickwinkel Gottes einnimmt. Dann sieht die Welt anders aus. Dir wird klar: Wir Menschen gehören alle zusammen, wir sind Kinder der Schöpfung. Ich würde ja auch mal gerne von oben auf die Erde blicken, wie der Astronaut von Andreas Bourani. Aber in den Weltraum werde ich wohl nicht mehr kommen. Schade.
Aber auf der anderen Seite ist das auch ganz egal. Ich muss nämlich gar nicht so weit weg.  Die grenzenlos Schönheit dieser Welt liegt vor mir, direkt vor meinen Augen. Ich muss nur hinschauen.Ich bin seit neuestem stolzer Opa, meine Enkeltochter heißt Ada. Sie ist fünf Monate alt. Und wenn die mich anlächelt, dann ist es passiert! Dann geht es mir genau so wie dem Astronauten von Sido und Andreas Bourani:
Ich heb ab. Nichts hält mich am Boden…
„Ich seh‘ die Welt von oben / Der Rest verblasst im Grau /
Ich hab Zeit und Raum verloren hier oben / Wie ein Astronaut.“

Andacht für NDR 1 „Himmel und Erde“