Auswendig lernen und der 121. Psalm

Radioandacht für NDR 1 Niedersachsen Freitag, 14.02.14

Meine Konfirmandinnen und Konfirmanden haben inzwischen fast alle ein Smartphone. Sie lieben diese Dinger und können sich ein Leben ohne kaum noch vorstellen. Und ja, die neuen Medien haben auch den Konfirmandenunterricht verändert. Früher habe ich mit meinen Konfis immer ein „Bibelquiz“ gespielt. Das ging so:
Jeder hatte seine Bibel in der Hand und ich stellte ihnen eine Aufgabe, zum Beispiel: Mit welchen Worten beginnt der 121. Psalm?
Die Konfis begannen zu blättern und wer den Psalm als erstes gefunden hatte, hatte gewonnen. Das konnte schon mal ein paar Minuten dauern. Dann rief die erste: „Hier! Ich habe es!
Psalm 121: Ich hebe meine Augen auf zu den Bergen.“

Heute ist das anders. Wenn ich ihnen erlaube, ihr Smartphone zu benutzen, brauchen sie höchstens zehn Sekunden. Sie tippen auf ihre Handys und schon haben sie den ganzen Text vor Augen. Sie können mir auch sofort sagen, wann Martin Luther geboren wurde oder wo in der Bibel die Bergpredigt steht. Faszinierend! Alles Wissen ist in Sekunden verfügbar. Also wenn ich damals in der Schule so ein Ding gehabt hätte…
Die Last des ewigen Blätterns und Suchens haben meine Konfirmanden nicht mehr. Es bleibt mehr Zeit, sich in einen Text vertiefen, ihn für das eigene Leben fruchtbar machen.
Und genau das versuchen wir mit unseren Konfirmanden.
Dafür ein Beispiel: Auf der Freizeit im Harz beten wir mit den Konfirmanden jeden Morgen den 121. Psalm. Ich spreche vor, die Konfirmanden sprechen nach. Am ersten Tag nur die ersten beiden Zeilen:
„Ich hebe meine Augen auf zu den Bergen. Woher kommt mir Hilfe?“
Wir sind einen Moment still.
Können nachdenken: Woher kommt mir Hilfe?
Am nächsten Morgen kommt die nächste Zeile dazu:
Meine Hilfe kommt vom Herrn, der Himmel und Erde gemacht hat.
So kommt jeden Tag ein Vers dazu und am Ende der Woche haben unsere Konfirmandinnen und Konfirmanden den ganzen Psalm auswendig gelernt, im Herzen bewegt.
Sie können etwas mitnehmen von der Glaubensgewissheit dieses Psalms, von dem Segen, der trägt: Der Herr behüte dich vor allem Übel, er behüte deine Seele. Der Herr behüte deinen Ausgang und Eingang von nun an bis in Ewigkeit. Und wenn sie einige Formulierungen vergessen? Das ist nicht schlimm. Sie können ja nachlesen. Denn sie haben den uralten Psalm in weniger als zehn Sekunden wieder auf dem Display. Vielleicht gibt es ja doch – den „Segen der Technik“.

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