Schlagwort: Kinder
Die Freude am Kirchenjahr
Der Schriftsteller Hanns-Josef Ortheil ist neun Jahre alt, als er sich Gedanken über das Kirchenjahr macht. Der Junge entdeckt: Das Kirchenjahr beginnt nicht am 1. Januar, sondern am 1. Advent. Es ist nicht durch die Jahreszeiten gegliedert, sondern durch die Feiertage: auf Weihnachten folgt Ostern, schließlich kommen Himmelfahrt und Pfingsten. Er findet das schön. Der Junge notiert:
„Im Leben der Gläubigen führen diese Gliederungen dazu, dass sie sich präziser auf ein hohes Fest vorbereiten und darauf freuen können. Man sagt dann zum Beispiel: „Nur noch ein paar Wochen bis Ostern!“ Tag für Tag spürt man, wie der zeitliche Abstand geringer wird, entsprechend steigert sich die Vorfreude und führt hin zur eigentlichen und endgültigen Festtagsfreude. Das Kirchenjahr ist also eine Einteilung der Zeit zur allmählichen Freudensteigerung. Die Gläubigen haben auf diese Weise immer etwas vor Augen, auf das sie sich freuen können.“
Was für ein kluger Gedanke. Darauf können wohl nur Kinder kommen. Für mich sind Feiertage immer auch etwas, worauf ich „hinarbeite“. Ich muss viel erledigen, alles gut vorbereiten. Kurz vor dem Fest ist es immer am schlimmsten: ich habe dann noch so viel zu tun, dass ich mich kaum noch freuen kann.
Für Kinder ist das anders. Sie können Ostern kaum erwarten, sind gespannt, was sie geschenkt bekommen.
Ich kann mich schlecht beschenken lassen – glaube, ich muss mir die Freude erst erarbeiten. Wenn ich nicht vorher alles schaffe, wird das nichts mit der Freude. Was für ein Unsinn!
Bis Ostern dauert es es noch eine ganze Weile. Aber die Tage werden langsam wieder länger, die Winterlinge blühen schon. An Ostern wird es wärmer sein, die Buschwindröschen werden blühen. Das ist alles geschenkt!
Wie ich mich darauf freue!
Friedhelm Meiners, Pastor an St. Martini
Von Falken und Tauben
Andacht für NDR 1 Radio Niedersachsen
Mittwoch, 11. November 2015 – Von Falken und Tauben
Wir sitzen in einer Geburtstagsrunde bei einer alten Dame. Neben mir die Enkeltochter, eine junge Mutter mit zwei kleinen Kindern. Mein Sohn ist so ganz anders als seine Schwester, klagt sie. Er ist so wild. Im Urlaub waren wir in Freiburg. Da gibt es diese wunderschönen Bächle, so kleine Wasserläufe mitten in der Stadt. Und was macht mein Kleiner? Der steigt da einfach rein! Ruck zuck stand er bis zu den Knien im Wasser. Wir konnten gleich wieder nach Hause, ihn umziehen. Ich war sowas von sauer!
Dein Vater war genauso! sagt die Großmutter lachend. Ich weiß, sagt die junge Mutter, aber heutzutage geht das doch nicht mehr! Er kommt nächstes Jahr in die Schule. Was soll da aus ihm werden, wenn er nicht stillsitzen kann? Bis dahin werden wir noch eine Menge Arbeit mit ihm haben!
Darf ich Ihnen eine kleine Geschichte erzählen? habe ich sie gefragt. Sicher! Ich liebe Geschichten! war ihre Antwort. Also dann:
Ein König brachte nach der Jagd seinen Falken mit in den Pferdestall. Er bat seinen Stallknecht, einen Moment auf ihn aufzupassen. Der etwas einfältige Knecht schaute sich das Tier an, schüttelte den Kopf und sagte: Du armes Tier! Was haben sie denn mit dir gemacht? Er holte eine Schere, beschnitt dem Falken den Schnabel und die Krallen und stutze ihm schließlich noch die Flügel. So! sagte er dann, Jetzt bist du eine richtige Taube!
Die ganze Runde lacht. Nur die junge Mutter schaut nachdenklich. Sie meinen also, ich will aus meinem Falken eine Taube machen? Vielleicht … antworte ich. Aber wir wissen beide, dass das nicht geht. Ein Falke wird niemals zur Taube. Aber wenn du ihn zurechtstutzt, ist er auch kein wirklicher Falke mehr.
Herr Pastor, sagt da die Großmutter, in der Bibel heißt es doch, wir sollen uns kein Bild von Gott machen, nicht wahr?
Stimmt. antworte ich, Denn das verdeckt den Blick, wie Gott uns begegnen will. Aber wie kommen Sie jetzt da drauf?
Ich finde, das sollte auch für unsere Kinder gelten sagt die alte Dame. Wir sollten uns von ihnen kein Bild machen. Dann können wir viel leichter entdecken, wer sie wirklich sind und wer sie werden wollen.
Die Frage der Fragen
Die Frage der Fragen
Gestern haben wir in einem Gottesdienst unsere Wackelzähne aus dem Kindergarten verabschiedet. Sie kommen nach den Sommerferien in die Schule. Wir wünschen Euch, liebe Kinder, Gottes Segen für Euren weiteren Lebensweg! Geht Eure Wege mutig und fröhlich!
Und wir wünschen Ihnen, liebe Eltern, dass Sie Ihre Kinder dabei mutig und mit viel Liebe unterstützen. Das ist nicht immer einfach.
Es gibt so viele falsche Träume: Der Vater, der will, dass sein Sohn so gut Fußball spielt wie Mario Götze. Die Mutter, die ihre Tochter schon auf dem Laufsteg sieht… Kinder werden viel zu oft auf Rollen und Vorbilder festgelegt. Sie jagen Idealen hinterher, die sie niemals erreichen können.
Es dauert dann oft lange, bis sie ihre Gaben erkennen und den Mut finden, ihren eigenen Weg zu gehen.
Darum, liebe Eltern: Verwechseln Sie Liebe nicht mit falschen Träumen. Haben Sie den Mut, Ihre Kinder ihre eigenen Wege gehen zu lassen, auch wenn es weh tut. Erinnern Sie sich immer wieder daran:
Ihre Kleinen sind vor allem eins: Geliebte Kinder Gottes. So gewollt, wie sie sind.
Dabei mag Ihnen diese alte jüdische Weisheit helfen. Martin Buber hat sie aufgeschrieben. Er nennt sie die Frage der Fragen:
Vor dem Ende sprach Rabbi Sussja: In der kommenden Welt wird man mich nicht fragen: Sussja, warum bist du nicht Mose gewesen? Man wird mich auch nicht fragen: Warum bist du nicht David gewesen?
In der kommenden Welt wird man mich fragen: Sussja, warum bist du nicht Sussja gewesen?
Pastor Friedhelm Meiners, St. Martini
(Wort zum Sonntag für die Braunschweiger Zeitung
Kinder, Geschenke und Dankbarkeit
Wir reden über Weihnachten, Kinder und Geschenke.
Frau M. sagt: Früher waren die Kinder viel dankbarer. Ich weiß noch, wie meine Tochter vor mir stand: mit einem Paar selbstgestrickter Handschuhe in der Hand und sie strahlte mich an! So was gibt es doch heute gar nicht mehr.
Ist das so?
Ich will es nicht wahrhaben, aber ja: Das ist so.
Frau B. erzählt von einer Freundin, die bei ihren Enkeln zu Weihnachten eingeladen ist. Sie freut sich sehr auf Heiligabend im Kreis der Familie bis auf die Bescherung. Das Urenkelkind bekommt von jedem ein Geschenk. Die Erwachsenen stehen mit ihren Päckchen Schlange. Der Kleine reißt eins nach dem anderen begeistert auf und legt das Geschenk achtlos beiseite. Das nächste wartet ja schon. Und der nächste Erwachsene auch. Will sehen, was der Kleine zu seinem Geschenk sagt.
Diese Bescherungen sind mir ein Greul! sagt die Urgroßmutter, das Kind kann sich doch gar nicht mehr freuen.
Kann es schon. Es darf nur nicht. Muss ja auspacken.
Und dann sitzt das Kind eine halbe Stunde später und baut aus all den wunderschönen roten Schleifen von all den Paketen einen Zaun für die Schafe an der Krippe. Hingebungsvoll und mit strahlenden Augen.
Und die Erwachsenen?
Ach die. Die bekommen das gar nicht mit. Ist ja vorbei, der Geschenkemarathon.
Jetzt wird gegessen.
"Erziehung"
„Übrigens ist es nach den neuesten Erkenntnissen auch überhaupt nicht so, dass Kinder Supermamas brauchen. Man muss die Kinder nicht die ganze Zeit mit Wissen füttern, man muss ihnen auch nicht sechs Sprachen beibringen. Das meiste von diesem Zeug hilf überhaupt nicht. Man muss einfach nur gut genug sein. Zugänglich, aufmerksam. Im Grunde das tun, was sich natürlich und richtig anfühlt. Was darüber hinausgeht, ist überflüssig. Eher als ständiger Unterricht hilft den Kindern sozialer Austausch.
Lassen Sie Ihre Kinder mit anderen spielen, bei Freunden übernachten, solche Dinge.
Das ist geistig wesentlich anspruchsvoller als sechs Stunden Geigenunterricht.
Unser Gehirn ist dazu gedacht, Beziehungen aufzubauen, man sollte Kindern nicht die Gelegenheit dazu verwehren.“
sagt der Journalist David Brooks in einem Interview in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung von heute. Er hat das Buch „Das soziale Tier“ geschrieben – schon bestellt 😉
Elternglück und Bibelworte
Mich fröstelt. Der Frühling hat sich wieder verzogen. Und jetzt fängt es auch noch an zu regnen. Ich stehe vor einem gemütlichen Café. Drinnen ist es warm. Ich rieche den Kaffee durch die Scheibe.
Direkt am Fenster sitzt eine Mutter mit ihrem kleinen Sohn auf dem Schoß. Sie hält ihm ein Bilderbuch hin. Noch schaut er rein – und sie gelangweilt in die Gegend.
Sie wirkt angestrengt und leicht genervt.
Wo soll sie bei diesem Wetter auch hin mit ihrem Kind.
Auf den Spielplatz?
Vergiss es.
Durch die Fußgängerzone bummeln? Der Kleine bleibt an jeder Ecke stehen. Und dir frieren die Füße ab.
So ist sie im Café gestrandet. Hier ist es warm. Auszuhalten, solange der Kleine halbwegs ruhig bleibt.
Elternglück ist kein Zuckerschlecken.
Sie schaut auf. Merkt, dass ich sie beobachte. Ich gehe schnell weiter.
Ich bin in Hannover auf einer Fortbildung und jetzt für eine Stunde in der Stadt unterwegs, weil ich mir Gedanken über ein Bibelwort machen soll:
„… der unsere Seelen am Leben erhält und lässt unsere Füße nicht gleiten.“
Ich würde die junge Mutter zu gern fragen, wie sie diesen Satz versteht. Natürlich traue ich mich nicht. Sie würde sich nur blöd angemacht fühlen:
„Komm, lass mich in Ruhe. Für so was habe ich gerade wirklich keinen Nerv!“
Aber , spannend fänd ich schon, was ihr dazu einfällt…
Namen…
Der Personalchef liest den Namen auf ihrer Bewerbung und schaut sie bedauernd an: Sie haben es schwer, oder? Die junge Frau nickt traurig. Sie heißt mit Vornamen Chantal Paris. Ihre Eltern haben es sicher gut gemeint. Aber sie haben ihr eine schwere Bürde auferlegt. Natürlich ist das Unsinn. Natürlich kann man niemanden nach seinem Namen beurteilen. Und wir tun es doch.
Und wenn wir einem Kind einen Namen geben, dann geht es nicht nur um Wohlklang. Dann geht es um Erwartungen.
Namen erzählen Geschichten. Die Geschichten der Eltern eines Kindes: Ihre Sehnsucht nach der großen, weiten Welt; ihren Dank und ihre Freude für dieses Kind, ihre Erinnerung an einen lieben Menschen. Und mit diesen Geschichten sind immer auch Erwartungen verbunden, bewusst oder unbewusst:
Es wäre schön, wenn du so wirst wie dein Großvater.
Wir wünschen dir, dass du die große, weite Welt kennenlernst, dass du Erfolg hast.
Wir geben dir einen normalen, unauffälligen Namen, damit du es leicht hast und gut durchs Leben kommst.
Wir geben dir einen außergewöhnlichen Namen, damit jeder gleich hört: Du bist etwas Besonderes.
All das schwingt mit im Namen eines Menschen mal bewusst, mal unbewusst. Und das Kind wird damit leben dürfen oder müssen, je nachdem.